
Comicreihe "Gung Ho": Rumfummeln ist wichtiger als Disziplin
Comic "Gung Ho" Affen - die besseren Zombies?
Timur Vermes wurde 1967 in Nürnberg als Sohn einer Deutschen und eines 1956 geflohenen Ungarn geboren. Er studierte Geschichte und Politik und wurde dann Journalist. 2012 veröffentlichte er den satirischen Roman "Er ist wieder da", von dem mehr als eine Million Exemplare verkauft wurden. Auch sein zweiter Roman "Die Hungrigen und die Satten" schaffte es auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Neulich schon suchten wir nach Alternativen für fade Zombie-Comics. Und jetzt kommt noch mehr konstruktive Kritik! Denn "The Walking Dead" sind keineswegs aufregender geworden. Es gibt hierzulande auch längst bessere Mittel- und Edel-Burger als die Standardpresslinge von McDonald's. Muss man so was also überhaupt importieren? Gibt es denn keine Craft-Zombies mit neuem, besserem Geschmack?
Die gibt es tatsächlich! Und eines kann ich jetzt schon versichern: Selbst in ihren müdesten Momenten lassen sie die Konkurrenz des Marktführers aussehen wie "The Schnarching Dead". Heute: "Gung Ho" von Cross Cult .
Wobei, ehrlich gesagt, man etwas schummeln muss, um "Gung Ho" in die Auswahl aufzunehmen: Sicher, das "Walking Dead"-Setting ist da, die Menschheit ist komplett zurückgedrängt, die Welt ist in der Hand einer Übermacht geheimnisvoller Monster, die einen an allen Ecken und Enden überfallen können. Aber die Monster sind keine Untoten.
Texter Benjamin von Eckartsberg und Zeichner Thomas von Kummant haben sich stattdessen eine Rasse strahlend weißer Raubaffenlöwen ausgedacht. Die sind derart gepardenschnell und in Rudeln organisiert, dass für den stolpernden "Walking Dead"-Standardtölpel mit dem raushängenden Auge nur ein müdes Gähnen bleibt.
Noch schöner ist: Kummant und Eckartsberg wissen, dass es besser ist, wenn man die Monster sparsam einsetzt und nicht mit ihnen rumschmeißt wie mit Konfetti. Also sehen wir erst mal lange keine Affen, sondern die beiden schwer erziehbaren Brüder Zack und Archer, die in der Außensiedlung "Fort Apache" ankommen. Auch wenn sie etwas gewöhnungsbedürftig sind: Spätestens hier beginnt der Zauber von Kummants Bildern.
Kummant zeichnet vor allem mit Farbflächen, und seine Figuren sehen aus, als kämen sie aus den Disneystudios, realistische Abteilung, also: mehr der Prinz von Cinderella als ihre Stiefmutter. Das kombiniert Kummant mit einem exzellenten Gespür für Bewegungen. "Gung Ho" spielt vor allem unter den Jugendlichen der Siedlung, Kummant zeigt sie kämpfend, streitend, flirtend und hingelümmelt wie nasse Lappen, da passt einfach alles - von Beginn an: Zack und Archer kommen auf dem Dach eines Zugs in die befestigte Siedlung, und allein schon wie sich Zack unterwegs an die Dachreling hängt, diese komplette Achtlosigkeit, mit der Menschen unter 20 ihrem Körper einfach alles zumuten, das ist so in sich stimmig, dass man sich Kummants Beobachtungsgabe sofort anvertraut. Und ihm verzeiht, dass er allen jungen Frauen beeindruckende Oberweiten zukommen lässt.
Ein grandioser Feld-, Wald- und vor allem Wiesenmaler
Auch die Bildeinstellungen sind klug gewählt. Kummant kann Action: Prügeleien, Schießereien, Verfolgungsjagden, all das inszeniert er schnell, explosiv, abwechslungsreich, gerne aus der Froschperspektive, und im richtigen Moment schneidet er vom Geschehen weg zur Reaktion in den Gesichtern der Beobachter. Aber er kann auch Dialoge - weil ihm von Eckartsberg gute liefert.
Wo die "Walking Dead"-Protagonisten faseln, als würden sie nach Silben bezahlt, genügen Eckartsberg wenige kurze Sätze, manchmal nur Blicke. Kummant lässt dann stattdessen die Umgebung sprechen, die bedrohliche Atmosphäre oder die romantische Stimmung. Dabei kommt ihm sein Gefühl fürs richtige Licht zugute: Der Herbst naht, aber wer braucht einen Sommer, wenn er Kummant hat? Der 45-Jährige ist - Sahnehäubchen auf dem i-Tüpfelchen - auch ein grandioser Feld-, Wald- und vor allem Wiesenmaler. Wiesen in der Morgendämmerung, Grashalme, die dem Beobachter fast in die Nase pieksen, hauchzarte Pusteblumen. Wer Heuschnupfen hat, niest schon vom Hinschauen.
Überhaupt haben Kummant/Eckartsberg begriffen, dass sich in einer entvölkerten Welt vor allem Gras und Grünzeug an allen Ecken und Ritzen breitmachen. Die Natur rund um "Fort Apache" ist der heimliche Star der Serie, einige Studien aus dem angehängten Extrateil erinnern stark an den legendären Urweltzeichner Zdenek Burian. Aber all das wäre nur hübsch anzusehen, wenn die Geschichte nicht auch gut erzählt würde.
Absurd ist sie natürlich immer noch: Ein Raubtier braucht was zu fressen, und wenn es nur noch ab und an einen Menschen fängt, wird es wohl kaum noch rudelweise herumrennen. Aber geschenkt: Bei einer Welt voller Zombies fragt auch keiner, wovon die eigentlich noch leben, wo sie doch praktisch schon alle Leute angesteckt haben oder angenagt oder beides.
Coolsein ist wichtiger als Vorsicht
Eckartsberg zieht die Aufmerksamkeit geschickt auf die Konflikte der Jugendlichen, auf Archers große Klappe, auf junge Liebeleien, aufs Schusswaffentraining. All das sorgt für reichlich Zunder, und im toten Winkel des Feuerwerks lässt er die große Bedrohung schön unauffällig hochköcheln. Eleganterweise löst die Besetzung auch eines der Standardzombieprobleme: Warum gehen immer irgendwelche Leute in irgendwelche Keller oder sonstwohin, wo man in einer Zombiegegend eben nicht hingehen soll?
Jugendliche machen so was, weil jetzt gerade Coolsein wichtiger ist als Vorsicht, Rumfummeln wichtiger als Disziplin, Mutproben wichtiger als Gelassenheit. Und zu ihnen passen auch die coolen Sprüche, das ständige Kraftmeiern, die permanente Unsicherheit deutlich besser als zu erwachsenen Charakteren.
"Gung Ho" heißt "wild entschlossen", das passt. Drei Bände "Gung Ho" gibt's derzeit, auf den nächsten muss man bis 2019 warten. Das ist definitiv zu lang.
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