Harry-Potter-Übersetzung Deutsch auf die Schnelle
Frankfurt/Main - Den sechsten Harry-Potter-Band wollen sie in weniger als 48 Stunden übertragen haben: 189 Hobby-Übersetzer machen sich morgen umgehend nach Erscheinen des sechsten Potter-Bandes ans Werk, um Harry auch auf Deutsch zaubern zu lassen. Man wolle die Arbeit bis Sonntagabend abschließen, sagte der Betreiber der Website "Harry-auf-deutsch.de", Bernd Koeleman, heute. Die Texte sollten aber keinesfalls frei zugänglich gemacht werden, um das Urheberrecht zu schützen. Der Carlsen-Verlag, bei dem die deutsche Übersetzung am 1. Oktober erscheint, behält sich dennoch juristische Schritte vor.
Koeleman sprach von einer "völlig neuen Art, wie Literatur entsteht". Der Berliner Software-Entwickler hat die Homepage bereits im Jahr 2000 als Ferienwettbewerbs-Forum mit seiner Tochter ins Netz gestellt und mit den Bänden "Harry Potter und der Feuerkelch" sowie "Harry Potter und der Orden des Phönix" eine wachsende Übersetzergemeinschaft im Netz versammelt. Im Sommer 2003 habe man 26.000 registrierte Mitglieder verzeichnet, sagt Koeleman.
Für "Harry Potter and the Half-Blood Prince" erwartet er wieder mehr als 20.000 Nutzer. Im zweiten Schritt könne jedermann, der sich die englische Ausgabe gekauft habe, seinen Übersetzungsbeitrag nach Anmeldung online abgeben. Die erste Übersetzung bleibe aber den 189 Autoren vorbehalten.
Carlsen-Sprecherin Katrin Hogrebe sagte, man beobachte solche Aktivitäten aufmerksam mit Blick auf das Urheberrecht. Prinzipiell könnten Fans so etwas natürlich privat machen. Wenn dabei die Rechte des Verlages nicht verletzt würden, werde man auch nichts unternehmen.
Koeleman betonte, dass es sich bei der Übersetzergemeinde um eine "Arbeitsgemeinschaft hinter verschlossenen Türen" handele. "Eine frei zugängliche Online-Veröffentlichung würde den Tod des Projekts bedeuten." Deshalb werde man dies mit ausgefeilten Sicherheitstechniken verhindern. Außerdem stehe man nicht in Konkurrenz zum rechtehaltenden Verlag: "Wir sind Freunde der Buchwirtschaft und möchten nur die Buchkultur um die Möglichkeiten des Internets erweitern", fügte er hinzu.
Die Hauptarbeit, so Koeleman, liege weniger in der Übersetzung einzelner Kapitel, sondern im Lektorieren und Auswählen für die Gesamtfassung. Im Jahr 2000 sei man nach viereinhalb Tagen mit dem Übersetzen fertig gewesen, habe dann aber ein komplettes Jahr an der Verfeinerung gearbeitet. 2003 habe man für den fünften Potter-Band insgesamt 32.000 Seiten Übersetzung produziert. Das Material habe er sogar Wissenschaftlern der US-Universität Stanford geschickt, die sich dafür interessierten.
Der sechste Harry-Potter-Band soll rund um den Erdball wieder ein Millionenseller werden. Der Onlinehändler Amazon spricht von mehr als 1,4 Millionen Vorbestellungen, in den USA startet das Buch mit einer Auflage von mehr als zehn Millionen. Der britische Händler Waterstone's erwartet, dass in den ersten 24 Stunden weltweit zehn Millionen Exemplare verkauft werden.
Nikolaus von Twickel, AP