
Hörbuch "Lyrikstimmen": Der Ton macht die Musik
Hörbuch-Großwerk "Lyrikstimmen" Hier spricht der Dichter
Gerade erst erschienen - und schon ein Standardwerk: Neun neue CDs mit einer Gesamtlaufzeit von weit mehr als 600 Minuten bringen einige der besten deutschen Gedichte der vergangenen 100 Jahre zum Sprechen. Und es spricht nicht irgendwer: Der Münchner Hörverlag hat sich in einem mehrjährigen Mammutprojekt weltweit auf die Suche gemacht nach den Originalstimmen der Lyriker, hat Autoren und Erben angeschrieben, Rundfunkarchive und Antiquariate durchwühlt, Suchanzeigen in internationalen Tageszeitungen geschaltet.
Mit Erfolg: Das Hörbuch "Lyrikstimmen" versammelt 420 Gedichte von 122 Dichtern, aufgenommen in den Jahren 1907 bis 2007, herausgegeben von der Lektorin Christiane Collorio und den Dichtern und Schriftstellern Peter Hamm, Harald Hartung und Michael Krüger. Mit dabei sind unter anderem Lyrikvorträge von , Joachim Ringelnatz, , , , , , , und .
Aufnahmen im Krieg zerstört
Der eine oder andere große Name taucht nicht auf, zum Beispiel Lasker-Schüler, und Klabund. Von ihren Gedichtvorträgen wurden entweder nie Aufnahmen gemacht - oder aber sie wurden in den Kriegs- und Nachkriegsjahren zerstört, wenn nicht gar achtlos überspielt.
Erst in den zwanziger Jahren wurde es zur gängigen Praxis, Dichter bei ihren Lesungen aufzuzeichnen, so dass die älteste Aufnahme des Hörbuchs eine Rarität ist: "Manche freilich" von aus dem Jahr 1907. Ebenso ein Schatz, nicht nur ein akustischer: Die Vorträge "Bibelszenen" und "Geflüster" von Thomas Bernhard, die offenbar nicht nur die einzigen Lyrikaufnahmen des österreichischen Eigenbrötlers sind, sondern bislang auch in Schriftform unveröffentlicht waren.
Interpretation aus erster Hand
Manche der älteren Aufnahmen rauschen, auch die Art des Vortrags ist selten so professionell wie die eines Schauspielers. Und dennoch bleibt man dran, wenn den Text diejenigen sprechen, die den Text nicht nur geschrieben, sondern durchlebt haben. Nicht was sie sagen, steht plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern wie sie es tun: wie laut, wie schnell, wie pathetisch, in welchem Rhythmus, mit welchem Dialekt. Und so wird der Klang ihrer Stimmen zur Interpretation aus erster Hand - der Ton macht die Musik.
Natürlich weiß ein gutes Gedicht mehr als sein Autor, das weiß jeder Erstsemester, aber der Autorenvortrag ist dann doch bezwingend auratisch und authentisch. Für den Verlag könnte das zum Erfolgsrezept werden: Authentizität kommt zurzeit ja irgendwie immer gut.
Hörbücher "Lyrikstimmen. Die Bibliothek der Poeten". 122 Autorinnen und Autoren, 420 Gedichte, 100 Jahre Lyrik im Originalton. Der Hörverlag ; 9 CDs, etwa 642 Minuten Laufzeit, 49,95 Euro, als limitierte Edition mit Faksimiles ausgewählter Dichterautographen 99,95 Euro.