Highland-Komödie Wenn es dem Pfau zu wohl wird

Ein altes Herrenhaus in den schottischen Highlands, ein verhaltensauffälliger Vogel und ein paar Banker mit Ballast: Daraus strickt die Übersetzerin Isabel Bogdan ihren eigenen Debütroman, "Der Pfau".
Pfauenhahn im Prachtkleid

Pfauenhahn im Prachtkleid

Foto: Corbis

Es sind nicht unbedingt die schlechtesten Bücher, deren Autoren sich weit weg von ihrem Alltag bewegen und in eine Rolle schlüpfen.

Man muss es ja nicht so weit treiben wie Karl May, der sich bald selbst für einen seiner Wildwest-Helden hielt. Und man braucht sich auch nicht hinter einem Pseudonym zu verstecken, wie der deutsche Verleger, der sich für seine Bretagne-Krimis in Jean-Luc Bannalec verwandelt.

Für Isabel Bogdan ist es nichts Besonderes, sich in entfernte Gedankenwelten hineinzuversetzen, denn die 1968 geborene Autorin machte sich zunächst als Übersetzerin einen Namen, unter anderem von Nick Hornby, Jane Gardam oder Jonathan Safran Foer. Nach einigen Beiträgen in Anthologien und einem Selbstversuch-Sachbuch hat sie sich nun für ihren ersten Roman in die schottischen Highlands versetzt.

Dort bewohnen Lord und Lady McIntosh ein altes Herrenhaus, und weil die Kinder aus dem Haus sind, reichlich Platz da ist und der Betrieb des Gebäudes kostet, vermietet das Paar einige Zimmer und Nebengebäude an Feriengäste. Für ein verlängertes Wochenende im November kündigt sich die Investmentabteilung einer Londoner Privatbank an für ein Teambuilding-Seminar.

Autorin Isabel Bogdan

Autorin Isabel Bogdan

Foto: Smilla Dankert

Sehr leichthändig entwirft Isabel Bogdan dieses Szenario, ganz schnell entsteht ein Bild von dem alten Schmuckstück in imposanter Landschaft, von der patenten Aileen und dem fleißigen Ryszard, die Lady Fiona und Lord Hamish nach Kräften zur Seite stehen, um mit dem bröckelnden Haus und den ausgedehnten Besitztümern zurechtzukommen.

Vorsicht mit Blaumetallic-Lackierungen!

Das geht so umstandslos, weil die in Hamburg lebende Autorin ja in den Köpfen der Leserschaft schon ein detailliertes Set an Vorstellungen vermuten kann, darüber, wie es so zugeht in den Herrenhäusern von Pemberley über Brideshead bis Downton Abbey.

Aber nicht nur im Schauplatz ihres Romans, sondern auch im Tonfall will sich Isabel Bogdan den Vorbildern anverwandeln, sie schreibt so, wie es sich für einen Roman über die britische Oberschicht gehört: mit feiner Ironie, leichter Geschwätzigkeit und trockenen Pointen. Ein bisschen mit abgespreiztem Finger: "Auf den Schreck tranken die Bakshis und die McIntoshs erst mal einen Whisky. Und dann noch einen. Und dann keinen mehr, denn die Lady war eine Lady."

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Isabel Bogdan:
Der Pfau

Kiepenheuer & Witsch; 256 Seiten; 18,99 Euro.

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Für den zitierten Schreck verantwortlich ist ein Pfau, einer von mehreren, man weiß nicht mehr genau, wie viele es sind, die auf dem Landgut leben, weil Lord McIntosh "in einem Anfall von Übermut" mal fünf Pfauen erworben hatte, weil er es sich hübsch vorstellte, wie die Männchen mit ihrem Prachtkleid über die Rasenflächen stolzieren würden.

Leider entwickelt aber einer der Pfauenmänner die Angewohnheit, alles Blaue und Glänzende als Konkurrenten anzusehen und tätlich anzugreifen. Der Blaumetallic-Lackierung des Wagens der Investmentbanking-Abteilungsleiterin bekommt das nicht gut, woraus sich zahlreiche Verwicklungen ergeben.

Wie im Rätselkrimi für Grundschüler

Immer wieder streut Isabell Bogdan sehr hübsche Gegenwartsmarkierungen ein: Lord und Lady sind im Hauptberuf Altphilologe und Windkraftingenieurin; vor dem Kaminfeuer werden Metaplantafeln und Whiteboardmarker aus dem Moderatorenkoffer gepackt, und einmal wird es fast ein bisschen heiß im winterlichen Anwesen: nachts im Hot Tub.

Doch so schnell das Grundszenario des Romans entfaltet wird, so zäh entwickelt sich das Ausbuchstabieren der sozialen Beziehungen zwischen den Bankern, die mit Köchin und Kursleiterin nach Schottland gekommen sind. Und weil die Geschichte aus wechselnden Perspektiven, darunter auch der eines Hundes, erzählt wird, wird Bogdan mit der Zeit etwas übervorsichtig und breitet immer wieder von Neuem aus, wer nun gerade was weiß und wer was nicht. Man fühlt sich ein bisschen wie in einem dieser Rätselkrimis für Grundschüler.

Kurz vor Schluss allerdings gibt es ein sechsseitiges Kapitel, das mit den Worten beginnt: "Am nächsten Morgen stellte die Situation sich also folgendermaßen dar". In der Folge werden dann alle Blickwinkel so akribisch rekonstruiert, dass man nicht mehr an ein Versehen der Autorin glauben kann: Diese Betulichkeiten müssen Teil der Anverwandlung sein.

So wie bei "Inspector Barnaby" die stets etwas trutschige Grundstimmung wichtiger ist als die Aufklärung der Kriminalfälle, so ist es wohl auch bei "Der Pfau": Die stimmige Atmosphäre schlägt die Hänger der Handlung.

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