Britisches Krimi-Epos Am Ende regiert immer die Gewalt

Buch "Killer Instinct": 1100 Seiten Gangsterepos
Foto: Knaur TBDavid Blake regiert über ein prosperierendes Wirtschaftsimperium, er ist smart, cool, liebt das gute Leben. Und wenn es nötig ist, lässt er jemandem den Kopf abschneiden und als warnende Trophäe einem lästigen Konkurrenten nach Hause liefern.
Wie aus dem Yuppie Blake der oberste Gangsterboss im Nordosten Großbritanniens wurde, das hat Howard Linskey in den Kriminalromanen "Crime Machine" und "Gangland" erzählt. Mit "Killer Instinct" beendet er jetzt seine Newcastle-Trilogie. Ob auf den Aufstieg der Fall folgt? Blake scheint es zu befürchten: "Es gibt für mich nur einen Ausweg aus diesem Leben: in einer Kieferkiste."
Zwar kommt Linskey in seinem insgesamt mehr als 1100 Seiten umfassenden Epos ohne das ein oder andere Gangsterklischee nicht aus. Das dürfte aber vor allem damit zu tun haben, dass in Verbrecherkreisen das Leben tatsächlich die Kulturproduktion imitiert: Stichwort "Scarface" oder "Der Pate" - Filme, die echten Kriminellen als Vorbild für die Karriere dienen.
Auch Linskey hat diese Klassiker des Genres genau studiert. Vor allem an Martin Scorseses Gangsterfilmen - von "Hexenkessel" bis "Casino" - richtet er seine Romane aus, ist dabei aber clever genug, sich auch abzugrenzen. "Ich bin kein Henry Hill, und der Weg, den ich zurückgelegt habe, war lang, mühsam und bestand aus unzähligen kleinen Schritten, zig Entscheidungen, die irgendwann, Jahre später, dorthin führten, wo ich jetzt war", lässt Linskey seinen Protagonisten reflektieren und macht damit einen Unterschied zu einer ikonischen Scorsese-Figur deutlich: Scorseses Film "Goodfellas" erzählte die Geschichte des berühmten Mafiaverräters Hill, der schon in seiner Kindheit wusste, dass er Gangster werden will.
Von Cops und Oligarchen
In "Killer Instinct" droht Blake gleich von mehreren Seiten Ungemach. Die Tochter eines Cops wurde ermordet, und da dieser als unbestechlicher Kämpfer gegen das organisierte Verbrechen gilt, fällt der Verdacht auf Blake. Der Druck erhöht sich, als sein Finanzjongleur unter Mordverdacht verhaftet wird und damit droht, auszupacken, wenn Blake ihm nicht hilft, aus dem Knast zu kommen.
Und dann sind da noch drei serbische Brüder, die sich mit ziemlich rüden Methoden in seinem Geschäftsgebiet breit machen, das von Newcastle bis nach Glasgow und Edinburgh reicht. Doch Blakes größtes Problem ist ein milliardenschwerer Exilrusse. Der Oligarch träumt davon, seine Heimat mit Waffengewalt von Putin zu befreien, und will Blakes Drogenschmuggelrouten nutzen, um Männer und Ausrüstung unerkannt nach Russland zu bringen.
Ein weniger talentierter Autor hätte bei der Vielzahl der Handlungsstränge den Überblick verloren, Linskey fügt sogar noch eine private Ebene hinzu. Blake begibt sich auf die Suche nach seinem Vater, den er nie kennengelernt hat. Und er bekommt Ärger mit seiner Frau, die endlich Gewissheit über den Tod ihres Vaters haben will. Nur: der war Blakes Vorgänger als Newcastles big boss - und Blake selbst war es, der ihn ins Jenseits befördert hat. Wenn auch nicht ganz freiwillig.
Der Karrierekriminelle, der uns (und sich) glauben machen will, dass er irgendwie zufällig zu dem wurde, was er ist: Gerade diese moralische Ambivalenz seines Ich-Erzählers macht Linskeys Newcastle-Trilogie zu einem der aufregenderen Werke der neueren britischen Krimiproduktion. Zu Beginn ist Blake der Consigliere, der sich selbst davon überzeugt hat, dass man für einen Gangster arbeiten kann, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Als aus dem Berater der Boss wird, muss er lernen, dass das eine Illusion war. Die Spielregeln der Branche, in der am Ende immer die Gewalt regiert, kann auch er nicht ignorieren.
Blake entwickelt sich zu einem Pragmatiker des Verbrechens, zu einem Geschäftsmann, der Risiken und Chancen kühl gegeneinander abwiegt und dann tut, was er für notwendig hält, um den Profit zu maximieren: Lästige Cops und ehrgeizige Politiker werden gekauft, Zeugen eingeschüchtert, die Konkurrenz beseitigt. Dass er damit lange Zeit durchkommt, liegt an seinem Charme, mit dem er Frauen, Geschäftspartner - und Leser - gleichermaßen einwickelt. Zynisch? Ja. Aber nicht zynischer als die Realität.

Howard Linskey:
Killer Instinct
Knaur TB; 384 Seiten; 9,99 Euro.
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