Fotostrecke

Fotostrecke: Vergebliche Büchersuche

Kirchenfreundlicher Buchhandel Hier spricht der Papst

Die Traditionsbuchhandlung Hugendubel arbeitet eng mit dem katholischen Weltbild-Konzern zusammen. Nach dem Relaunch des Online-Shops von Hugendubel klagen Mitarbeiter nun darüber, dass viele kirchenkritische Bücher  hier nicht mehr zu finden seien.

Berlin - Genaueres ist nicht überliefert, nur dies: Heinrich Hugendubel hatte Ärger mit der Kirche. Und weil die Kirche mächtig war, musste der Buchhändler sein Geschäft aufgeben. Vielleicht waren es allzu gottesferne Schriften, die vor 150 Jahren den Bischof von Eichstätt erzürnten - die Hugendubels ließen sich von dem Zwist jedenfalls nicht beeindrucken. Heinrichs Nachfahren blieben Buchhändler, zogen nach München und bauten das Buchgeschäft zu einem Konzern aus: In 42 Filialen arbeiten heute über Tausend Angestellte, auf über 62.000 Quadratmetern Verkaufsfläche wurde im Jahr 2009 ein Umsatz von 260 Millionen Euro erwirtschaftet. Geführt wird das Unternehmen nach wie vor von echten Hugendubels. Und auch der Bischof von Eichstätt hätte mittlerweile keinen Grund zur Klage mehr - denn Hugendubel  ist heute eng mit dem Weltbild-Konzern  der katholischen Kirche verbandelt. Und diese Kooperation treibt seltsame Blüten.

Ende des vergangenen Jahres hat Hugendubel seinen Online-Auftritt überarbeitet. "Wir haben bei der Konzeption immer aus der Sicht unserer Kunden gedacht und uns genau an ihren Wünschen und Anforderungen orientiert", wirbt Nina Hugendubel, geschäftsführende Gesellschafterin. Wenn das stimmt, dann hat Hugendubel mittlerweile eine sehr fromme Kundschaft. Denn wie kritische Hugendubel-Mitarbeiter festgestellt haben, waren einige Bücher, die sich kritisch mit der katholischen Kirche auseinandersetzen, nach dem Neustart des Online-Angebots nicht mehr zu finden.

Schwarzbuch Kirche? Kaufen Sie lieber ein Benedikt-Interview!

Papst Benedikt XVI.

Eine Suchanfrage mit den Stichwörtern "Schwarzbuch Kirche" zum Beispiel führt bei anderen Anbietern sofort zu dem gleichnamigen Buch von Michael Hebeis. Bei hugendubel.de wird das Stichwort "Schwarzbuch" kurzerhand gestrichen - und dem Suchenden ein Werk mit dem Titel "Licht der Welt" ans Herz gelegt, ein Interview-Buch, in dem höchstpersönlich seine Sicht der Dinge darlegt. Alternativ und nach automatischer Streichung des Stichworts "Kirche" führt die Suche zu insgesamt 48 Schwarzbüchern: Ein "Schwarzbuch Deutschland" gibt es, eines zum "Tierfutter", ein "weißblaues", zu "Wasser", "Öl" und den "USA", sogar zur "Liebe" - nur zur Kirche nicht. Jedenfalls nicht bei hugendubel.de. Eine Suche nach den Stichwörtern "Mynarek" und "Papst", die zielstrebig zu dem Buch "Papst-Entzauberung: Das wahre Gesicht des Joseph Ratzinger und die exakte Widerlegung seiner Thesen" von Hubertus Mynarek führen könnte (und es anderswo auch tut), lenkt den hugendubel.de-Kunden ebenfalls in papsttreue Gefilde: wieder zum "Licht der Welt".

Auch in anderen Themenbereichen scheint die hugendubel.de-Suchfunktion den kaufwilligen Kunden sanft, aber bestimmt von nicht ganz so bravem Gedankengut ablenken zu wollen. Eine Suche nach "Wagenknecht" und "Wahnsinn" führt nicht etwa zu dem kapitalismuskritischen Buch "Wahnsinn mit Methode" der Linkspolitikerin, sondern zu einer harmlosen Kulturgeschichte des Wahnsinns. Den Ratgeber "Ein bisschen härter ist viel besser: Das ultimative SM-Einsteigerbuch für Paare" von Sabine und Wolf Deunan, anderswo problemlos unter "Deunan" und "härter" zu finden, mag hugendubel.de nicht anbieten - dafür gibt's einen erbaulichen Hinweis auf "Den harten Boden aufbrechen" von Albert Damblon, der über "die positive Kraft der nachkonziliaren Liturgie" zu berichten weiß. Und zum Stichwort "Regenbogenfamilie", dem Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare mit Kindern, anderswo mit zahlreichen Ratgebern vertreten, fällt hugendubel.de überhaupt nichts mehr ein.

Gedankenlos die Datenbank kopiert

Weltbild

Zensur? Was zunächst wie der Durchgriff eines erzkatholischen Managements der -Gruppe auf das Sortiment des Geschäftspartners Hugendubel erscheinen mag, ist wohl eher eine mehr oder weniger gedankenlos in Kauf genommene Folge der ökonomischen Partnerschaft. Hugendubel und Weltbild halten zu gleichen Teilen die Deutsche Buch Handels GmbH & Co. KG (DBH). Dass die Weltbild-Katholiken keine papstkritischen Bücher, keine Sado-Maso-Ratgeber und keine Kommunismus-Literatur verbreiten will, mag angesichts der Eigentumsverhältnisse nachvollziehbar sein. "Weltbild muss wirtschaftlich arbeiten, ohne die ideellen Ziele aus den Augen zu verlieren", sagt der Weltbild-Chef Carel Halff. Die Weltbild-Gruppe gehört zwölf katholischen Diözesen, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.

Beim Relaunch des Hugendubel-Online-Shops wurde offenbar ungeprüft dieselbe Datenbank hinterlegt, aus der auch das Angebot des Kirchenkonzerns gespeist wird - und deren Selbstbeschränkungen hat hugendubel.de gleich mit übernommen. Ein Vergleich belegt: Die bei hugendubel.de nicht auffindbaren Bücher werden auch bei weltbild.de nicht angeboten. Als die kritischen Hugendubel-Mitarbeiter in einem Gewerkschaftsblog  kurz nach dem Relaunch auf fehlende Titel bei hugendubel.de hinwiesen und die Frage stellten, ob es sich hierbei um Zensur handeln könnte, wurden die Titel (etwa David Bergers Sachbuch "Der heilige Schein" über schwule katholische Priester oder Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums") schnellstens ins Angebot eingepflegt. Bei weltbild.de fehlen sie nach wie vor.

Die bloggenden Mitarbeiter sehen in der Posse um die fehlenden Bücher ein weiteres Anzeichen dafür, dass sich das Traditionshaus Hugendubel von einer kulturellen Institution in ein reines Geschäftsunternehmen wandelt, dem es einerlei ist, ob es mit bedrucktem Papier handelt oder mit Rasentrimmern, Bohrschraubern und lasergestützten Haarentfernern - das alles sind aktuelle Angebote aus dem Online-Angebot des Buchhändlers. Den Zusammenschluss mit Weltbild sehen die Gewerkschafter mit Sorge: War Hugendubel bisher ein Haus mit einem umfassenden Angebot und sachverständigen Buchhändlern, meinen sie nun eine schleichende Angleichung auf das Niveau der Weltbild-Shops zu erkennen, wo auf Vollständigkeit und klassischen Buchhandel niemals Wert gelegt worden sei.

Familienorientiert und handverlesen

Hugendubel selbst weist jeden Zensur-Verdacht von sich. Der Buchbranchen-Zeitschrift "Börsenblatt" sagte Geschäftsführer Maximilian Hugendubel, die von Weltbild und Hugendubel genutzte DBH-Datenbank werde "regelmäßig automatisiert nach rechtsextremen und pornografischen Titeln durchsucht", ein manueller Filterprozess verfeinere das Verfahren. Dabei sei es möglicherweise zu Fehlern gekommen. Auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE mag Hugendubel keine Details zu den Kriterien des Datenbank-Filters verraten. Man verstehe sich als "familienorientierte Buchhandlung" und erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. "Prinzipiell" könne jeder lieferbare Titel bestellt werden. Nur "handverlesene Titel" wie Nazi- und Pädophilenliteratur wolle man nicht anbieten.

"Handverlesen" muss offenbar auch jede katholische Beschränkung wieder aufgehoben werden - und so ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis Hugendubel auch bei den in diesem Artikel beispielhaft angeführten Büchern reagiert und nach und nach Wagenknecht, Homo-Familien und Kirchenkritik der Online-Kundschaft zugänglich macht. Wenn das mal keinen Ärger mit den Bischöfen gibt.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten