Krimi-Comics Thriller ohne viel Gequatsche

"Moonshine" von Brian Azzarello und Eduardo Risso
Foto:Brian Azzarello & Eduardo Riss/ Cross Cult
Gute Krimis sind selten, aber auch Geschmackssache. Wenn jemand welche empfiehlt, hilft es zu wissen, welche die Person mag. Also: Ich finde, ein Krimi wird nicht besser, nur weil irgendein Skandinavier ihn in einer Polarnacht zusammengeschraubt hat. Und der Münchner "Polizeiruf" hat - während der letzten zehn, 15 Jahren wenigstens – in neun von zehn Fällen jeden "Tatort" derart versägt, dass man die übrigen Späne auf einer Kehrichtschaufel zusammenfegen kann. Sogar auf einem Kehrichtschäuferl.
Timur Vermes wurde 1967 in Nürnberg als Sohn einer Deutschen und eines 1956 geflohenen Ungarn geboren. Er studierte Geschichte und Politik und wurde dann Journalist. 2012 veröffentlichte er den satirischen Roman "Er ist wieder da", von dem mehr als eine Million Exemplare verkauft wurden. Auch sein zweiter Roman "Die Hungrigen und die Satten" schaffte es auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Nachdem das also geklärt wäre: Ich möchte Ihnen ein paar lesenswerte Krimi-Comics ans Herz legen. Lesenswert aus unterschiedlichen Gründen, "Moonshine" vom Team Brian Azzarello/Eduardo Risso beispielsweise vor allem schon mal optisch. Bereits bei "100 Bullets" zeigte Risso, dass er seinen Frank Miller ordentlich studiert hat, und da gäbe es ja schlimmere Vorbilder. Entsprechend arbeitet Risso auch diesmal wie ein Miller, der noch Lust zum Zeichnen hat, und obendrein auch noch zum Seitenlayouten. Wie bei "100 Bullets" gibt es auch bei "Moonshine" ein mysteriös-übernatürliches Element: Wie der Titel nahelegt, handelt es sich um – nein, nicht Vampire, die anderen. Aber das ist nicht die Besonderheit, viel wichtiger sind Details, dass nicht dauernd gequatscht wird etwa.

Krimi-Comics
Azzarellos Texte und Sprechblasen sind sparsam eingesetzt, die Dialoge deuten Vieles an, was nicht immer aufgeklärt wird. Das gibt den Charakteren Raum zum Zwielichtigwirken: Der finstere Scharfschütze, die knallharte Omma als Clanchef mit Pfeife, der Obergangster mit der poppig getönten Brille. Vieles klappt auch, weil Risso die nötige Atmosphäre erzeugt: Auch wenn man schon zigmal Zwangsarbeiter in Häftlingsanzügen in den Südstaaten gesehen hat, diese Hitze muss man erst mal zeigen können, die Fliegen, und man muss auch so lange in der Szene bleiben, bis es sogar dem Leser zu heiß wird. Dazwischen gibt’s glatter gezeichnete Doppelseiten, sehr gelungene Farbkompositionen: Das nimmt man alles gern in die Hand, und jede Menge Blut für den werwolfhaltigen Nervenkitzel gibt’s noch dazu.
Preisabfragezeitpunkt
24.03.2023 23.05 Uhr
Keine Gewähr
Was ich schon seit längerem empfehlen wollte: die "Nestor Burma"-Reihe. Jacques Tardi hat in den Achtzigern begonnen, die von Léo Malet geschriebenen Romane um den Pariser Detektiv in Comics umzusetzen, inzwischen haben Emmanuel Moynot und Nicolas Barral den Stil fortgeführt. Burmas Abenteuer sind angenehm solide, altmodisch, was gut zum Handlungszeitraum passt, den Vierzigern und Fünfzigern. Der ewig mittelalte Detektiv tappt von Zeuge zu Zeuge, er beobachtet, verfolgt, fragt, hört zu, provoziert, alles ganz ohne Twitter und Whatsapp, wie man überhaupt den Eindruck hat, als käme Burma auch heute nie auf die Idee, man könnte die Wahrheit im Internet finden.
Er trifft Kleingangster, ermittelt unter Studierenden, Kunstsammlern, es geht nie um das ganz große Rad, mehr um die kleinen Rädchen der Gesellschaft. Näher als Burma kommt derzeit niemand an Philip Marlowe heran, dazu ist jeder Band eine Liebeserklärung an einen anderen Stadtteil von Paris. Die Illustrationen der Straßenzüge, Kneipen, Hauseingänge und Zimmer ersetzen locker eine kleine Städtereise (gut für die Umwelt!). Allerdings habe ich bei keinem einzigen Fall so recht kapiert, wie der Detektiv letzten Endes zur meist verwickelten Lösung kam, selbst gefunden hab ich sie – wie meistens – sowieso nicht. Selten war mir das so egal.
Preisabfragezeitpunkt
24.03.2023 23.05 Uhr
Keine Gewähr
Bei "A Walk Through Hell" von Garth Ennis und Goran Sudzuka hat mich das schon etwas mehr gestört. Der Zweiteiler ist ebenfalls leicht übernatürlich angelegt, das muss aber (siehe oben) nicht schlecht sein. Zwei FBI-Agenten verschwinden bei Ermittlungen zu einem Kindermörder in einem rätselhaften Lagerhaus, aus dem man schwerlich zurückfindet. Und die Chefin der beiden versucht, sie wieder rauszuholen. Das ist über sehr weite Strecken erfreulich gruselig und funktioniert fast so gut wie in Alan Moores "Neonomicon". Das kann natürlich auch daran liegen, dass es für mich immer was besonders Unheimliches hat, wenn die abgebrühten Ermittler nicht mehr wissen, was real und was Spuk ist, huiuiui, da kann man sich schon mal die Bettdecke über den Kopf ziehen.
Was mich in jedem Fall für die Story einnimmt, ist die Chefin der beiden: Eine toughe, leicht angeknitterte Frau um die 50, die sich von niemandem den Schneid abkaufen lässt, geistesgegenwärtig, improvisationsfreudig, körperlich fit, solche Protagonistinnen gibt’s im Comic leider nicht so oft. Die Auflösung? Ehrlich gesagt, ich muss sie nochmal nachlesen. Aber hier habe ich – im Gegensatz zu vielen Krimis – wenigstens Lust dazu.
Preisabfragezeitpunkt
24.03.2023 23.05 Uhr
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