Kriminalroman Üble Manieren und taktisches Genie
Gerade hat Parker das Gefühl, er könnte den Polizeihubschraubern und Spürhunden doch entwischt sein, da steht oben auf dem Hügel ein Mann mit einem Gewehr vor ihm. Und der will wissen, ob er zu den drei Kriminellen gehört, die wegen eines gescheiterten Überfalls auf einen Geldtransporter gesucht würden. "Ich hab's nicht dabei", sagt Parker. Kurz, sachlich, kalt. Da der Mann die Waffe noch nicht auf ihn gerichtet hat, will er ihn wohl nicht festnehmen.
Nein, im Gegenteil, Tom Lindahl hat ganz andere Pläne mit Parker. Er glaubt, dass der Schwerverbrecher Parker ihm dabei helfen kann, sich zu rächen an den Leuten von der Rennbahn. Denen wollte Lindahl krumme Geschäfte nachweisen, war aber weniger gerissen als die und verlor seinen Job. Seitdem sitzt er mit seinem stummen Papagei in dem Kaff Pooley irgendwo in Massachusetts und träumt davon, die Rennbahneinnahmen zu stehlen. Parker scheint ihm der ideale Mann zu sein, um den Plan endlich in die Tat zu setzen. Und Parker? Die Polizei hat überall Straßensperren errichtet, die Beute aus dem Raubüberfall ist verloren, also kann er auch mit einem Einbruch zwischendurch die Kasse aufbessern.
Ganz schön cool, dieser Parker. Ein "potentes Amalgam aus physischer Kraft, kriminalistischem Verstand, üblen Manieren, handwerklichem Geschick, taktischem Genie und Entfesselungskunst" nennt die "New York Times" den Protagonisten der Krimis von Richard Stark, dessen neuestes Werk "Fragen Sie den Papagei" jetzt auf Deutsch erschienen ist. Richard Stark ist das Pseudonym des New Yorker Krimiautors Donald Westlake, 75, unter dem dieser seit 1962 düstere Romane mit der Hauptfigur des Schwerkriminellen Parker veröffentlicht. Einer davon wurde zwei Mal verfilmt, erst unter dem Titel "Point Blank" mit Lee Marvin in der Hauptrolle, und später als "Payback" mit Mel Gibson als Parker.
"Fragen Sie den Papagei" beginnt genau dort, wo "Nobody Runs Forever" (2004) aufhörte, also nach dem gescheiterten Überfall. Parker findet sich in einem Dorf wieder, das aussieht, "als gäbe es hier nur noch den kümmerlichen Rest, die paar Figuren, die im Stadion sitzen bleiben, wenn das Spiel schon längst vorbei ist". Und genau so wirken auch die wenigen, irgendwie übrig gebliebenen Einwohner von Pooley, der grantelige Besitzer der Tankstelle und Autowerkstatt Brian Hopwood, das intellektuell gering bemittelte Brüderpaar Cory und Cal, der Möchtegern-Held Fred Thiemann. Dass Parker nicht Ed Smith ist, der alte Kumpel von Lindahl, als der er sich ausgibt, ist den meisten schnell klar, denn Lindahl hat noch nie Freunde gehabt. Doch Parker ist ihnen allen überlegen, nicht nur an Intelligenz, sondern auch an emotionaler Kälte. Er tötet, wenn es ihm nützt, er lässt leben, wenn das die praktikablere Alternative ist.
Zwar ist "Fragen Sie den Papagei" das letzte Buch der Parker-Serie, aber es lohnt auch für Einsteiger. Denn, wie das so ist mit fiktiven Helden: Sie altern nicht. Und so kann man sich anschließend getrost die Krimis aus den Sechzigern vornehmen und Buch für Buch nachlesen, wie der so finstere wie faszinierende Killer Parker seine blutige Spur durch die Vereinigten Staaten zieht. Die Lektüre sorgt mit Sicherheit für ein paar angenehme Schatten an sonnigen Sommertagen.
Buch Richard Stark: "Fragen Sie den Papagei". Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren. Zsolnay Verlag, München; 256 Seiten; 16,90 Euro; http://www.donaldwestlake.com