Literarischer Fragebogen Überlegen Sie nicht zu lange!

"Fragebuch": Wer fragt, bekommt auch Antworten
Seitdem die biedere Begrüßungsfloskel "Wie geht's?" von dem vermeintlich pfiffigeren "Alles gut?" abgelöst wurde, ist es Zeit, sich mit der Fragekunst an sich auseinanderzusetzen. Denn auf die Frage, ob alles gut sei, kann man wahrheitsgemäß nur mit "nein" antworten: Selbst wenn das persönliche Schicksal gerade einigermaßen verdaulich ist, sind da ja noch die "kriegsähnlichen Zustände", die Weltwirtschaft und hungernde Kinder. Antwortet man, ungleich praktikabler, mit einem "ja", hat man zwar geantwortet, der Erkenntnisgewinn jedoch bewegt sich eher in der Höhe, in der sich der Quecksilberstreifen im Thermometer tummelt, wenn es schneit.
Manch Politiker ließ sich gar schon dazu hinreißen, eine leise Beschwerde zu formulieren, in der er jene Zeiten zurücksehnte, in denen Journalisten noch ganze Fragen stellten, anstatt auf das investigativ-prägnante "Und?" zu vertrauen.
Passend in diese fragenarme Zeit fällt die Veröffentlichung des "Fragebuchs" von dem Finnen Mikael Krogerus und dem Schweizer Roman Tschäppeler. Es ist ein kleiner, mintfarbener Band, der 565 Fragen enthält. Die kann man sich selbst stellen, um sich besser kennen zu lernen. Oder wechselseitig mit seinem besten Freund oder seiner besten Freundin, um beim Tee zu plaudern.
Mit wem hätten Sie lieber nie Sex gehabt?
Aufpassen sollte man bei der Partygesellschaft jenes Freundes, dem man es gerade arglos zum Geburtstag geschenkt hat. Es drohen rote Ohren, spätestens wenn es auf Frage 413 zugeht: Eine Person, mit der Sie es bereuen, geschlafen zu haben? Oder auf Frage 421: Mit welchem Ihrer engen Freunde könnten Sie sich vorstellen, eine Beziehung zu führen? Wohl dem, der da noch die Spielregeln im Kopf hat: Antworten Sie ehrlich. Und: Überlegen Sie nicht zu lange, nehmen Sie die Antwort, die ihnen spontan einfällt.
Es wäre auch denkbar, die Fragen journalistisch einzusetzen. Frage 263: Herr von Guttenberg, wann haben Sie zuletzt gelogen? Frau Merkel, wie viele Facebook-Freunde haben Sie und wie viele davon würden Sie als Ihre echten Freunde bezeichnen?
Ganz neu ist die Idee eines literarischen Fragebogens nicht, und so danken die Autoren brav Marcel Proust und Max Frisch, von denen sie "inspiriert" wurden. Max Frischs "Fragebogen" war allerdings vergleichsweise elementar: "Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht, wie erklären Sie es sich, dass es dazu nie gekommen ist?" konnte da schon mal eine Frage lauten und den Leser in Bedrängnis bringen. Tschäppelers und Krogerius' Fragen sind simpler. "Wir wollten ein Buch machen, bei dem die Fragen wirklich konkret zu beantworten sind und nicht nur cool tönen", sagt Tschäppeler. Seine Lieblingsfrage? "Wann haben Sie zum letzten Mal etwas zum ersten Mal getan?"
Er empfiehlt, das Buch in Gesellschaft zu lösen. Dabei sollte man nie die Faustregel vergessen: Wer fragt, bekommt auch Antworten. Das ist auch dem Autoren Roman Tschäppeler zu Ohren gekommen. "Ein Pärchen ist im Bett gelandet, weil beide die Frage nach der unerfüllten Sexphantasie ehrlich beantwortet haben. Ein anderes Pärchen hat sich drei Tage lang angeschwiegen."
Blog: auf dem Fragebuch-Blog veröffentlichen die Autoren Videos, in denen Prominente auf Fragen aus ihrem Buch antworten.
Buch siehe Buchtipp-Kasten oben links.