Literatur Karl Krolow gestorben
Darmstadt/Frankfurt am Main - Wie der Frankfurter Suhrkamp Verlag am Dienstag bestätigte, starb Krolow am Montag abend in einem Darmstädter Krankenhaus. Der Verlag hat mehrere Gedicht- und Prosabände des Autors veröffentlicht.
Krolow galt als "Nestor der deutschen Lyrik". Seine Gedichte zählten "zum sicheren Bestand der deutschen Lyrik", in denen sich nachlesen lasse, was man in Deutschland von den 50er Jahren bis heute gedacht und gefühlt habe, hatte der Verleger Siegfried Unseld zum 80. Geburtstag des Georg-Büchner-Preisträgers gesagt.
Krolows erster Gedichtband liegt mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. Kritiker sind noch heute von den unaufdringlichen wie ausdrucksvollen Versen des Autors beeindruckt, die vom poetischen Naturbild bis zur sarkastischen Zeitdiagnose reichen. Der Name Krolow wurde in einer Reihe mit Paul Celan, Günter Eich und Ingeborg Bachmann genannt, seine Gedichte in rund zehn Sprachen übersetzt.
Der Schriftsteller wurde 1915 in Hannover geboren, wo er auch aufwuchs. Aufgrund seiner labilen Gesundheit wurde er nicht zur Wehrmacht einberufen und konnte während des Krieges in Göttingen und Breslau Germanistik, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte studieren. Mit 27 ließ er sich als freier Schriftsteller nieder, ein Jahr später erschien sein erstes Buch "Hochgelobtes, gutes Leben". Von da an veröffentlichte Krolow fast alle zwei Jahre einen Gedichtband, zudem Erzählungen, Essays und Übertragungen französischer und spanischer Poesie. 1956 erhielt Krolow an seinem neuen Wohnort Darmstadt den Büchner-Preis, die höchste literarische Auszeichnung im deutschen Sprachraum. Andere Ehrungen folgten, darunter 1988 der Hölderlin-Preis.
Krolow stand in seinen frühen Gedichten noch in der Tradition der deutschen Naturlyrik und wollte "Die Zeichen der Welt" - so ein Titel von 1952 - entschlüsseln. Er ließ sich aber auch vom französischen Surrealismus inspirieren und fand mit "Fremde Körper" (1959) Anschluß an die literarische Moderne. Eng war er mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verbunden, deren Präsident er 1972 wurde. Mitte der 70er Jahre überraschte Krolow seine Leser mit unverhüllten Schilderungen persönlicher Empfindungen. 1975 bekleidete er in Frankfurt für ein Jahr das Amt des "Stadtschreibers von Bergen-Enkheim".
Mit wachsender Lust begann Krolow, politische Ereignisse und Entwicklungen dichterisch zu kommentieren. Dabei wußte er den Szenejargon der 80er Jahre poetisch umzusetzen. "Es gibt nichts, über das man nicht schreiben kann", zog der schwer zuckerkranke Krolow zu seinem 80. Geburtstag Bilanz seiner außergewöhnlichen dichterischen Produktivität. "Die Welt ist - auch - dazu geschaffen, damit sie ins Gedicht gerät." In den 90er Jahren beschäftigte Krolow vor allem die deutsche Einheit, die er als "übermenschliche Aufgabe" bezeichnete. Obwohl es ihn mehr und mehr angestrengte, brachte er fast täglich etwas zu Papier: "Es ist meine einzige Legitimation vor mir selbst - meine Vergewisserung, daß es mich noch gibt."