Literatur-Wettbewerb "Bachmann oder Bernhard?"
Klagenfurt - "Wer ist besser: Bernhard oder Bachmann?", fragte Raoul Schrott zu Beginn seiner Rede provokant. "Da von besser und schlechter, statt vom jeweils Anderen zu reden, und solche Rangordnungen sogar für wünschenswert zu erklären, das bringt nur eine Jury fertig." Der österreichische Dichter ("Die Erfindung der Poesie") eröffnete heute Abend in Klagenfurt den 30. Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis für Nachwuchs-Literaten.
Schrott, 42, der 1992 selbst am Wettlesen teilgenommen hatte, beleuchtete in seiner "Klagenfurter Rede zur Literatur" unter dem Titel "30 Paradoxa" die Spannungsfelder des Literatur-Wettbewerbs zwischen literarischer Qualität, Unterhaltung und Gesetzen des Literaturbetriebes
Eine Rechtfertigung der Institution Wettbewerb sah Schrott in der Literatur selbst, die "unter ihrem Kostüm einer narrend schönen Kunst mehr bewirkt als alle Marktschreier sonst: Sie hält uns ja selbst dann den Spiegel vor, wenn das Wahre zur Ware verkommt und wir nur mehr zu Tode amüsiert werden wollen".
In einer Verlosung wurde im Anschluss die Reihenfolge der Lesungen bestimmt, in der die 18 Teilnehmer vom morgigen Donnerstag bis Samstag ihre Texte vorstellen. 15 Kandidaten kommen aus Deutschland, zwei aus Österreich und eine aus der Schweiz. Unter den Teilnehmern sind etablierte Schriftsteller wie der österreichische Poet Bodo Hell ebenso wie neue Gesichter im Literaturbetrieb, darunter Clemens Meyer, der im Frühjahr mit seinem Debüt-Roman "Als wir träumten" für Furore sorgte.
Den Vorsitz in der neunköpfigen Jury aus Autoren, Literaturwissenschaftlern und Kritikern behält auch weiterhin die Hamburger Literaturkritikerin Iris Radisch ("Die Zeit"). Am Sonntag werden neben dem Hauptpreis, der in diesem Jahr mit 25.000 Euro dotiert ist, vier weitere Preise verliehen. Der Preis wird seit 1977 jährlich in Gedenken an die aus Klagenfurt stammende Dichterin, die am Sonntag 80 Jahre alt geworden wäre, vergeben. In den vergangenen Jahren gewannen in der "Champions League" des Literaturbetriebs (Eigenwerbung) unter anderem die Autoren Peter Glaser (2002), Uwe Tellkamp (2005) und Thomas Lang (2005).
Die Kandidaten werden jeweils von den Juroren zu dem Wettbewerb eingeladen. Die Jury diskutiert im Anschluss an das sogenannte Wettlesen vor Publikum über die vorgestellten Texte. Am Sonntag stimmen die Juroren dann offen über die Preisträger ab. Das Preisgeld wird von deutschsprachigen Verlagen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und privaten Sponsoren finanziert.
Seit seiner Gründung begleitet den inzwischen renommierten Wettbewerb auch immer wieder Kritik: Als "schönster Betriebsausflug der deutschsprachigen Literaturszene" belächelt, geraten abwechselnd Juroren und Texte unter Beschuss. Den Kritikern wiederum wird vorgeworfen, sich mit der Klagenfurt-Schelte lediglich selbst in Szene setzen zu wollen.
Um dem Vorwurf zu begegnen, der vorgelesene Text gerate wegen der öffentlichen Lesung gegenüber dem Auftreten eines Autors in den Hintergrund, wurde 1999 das Reglement geändert. Seitdem erhalten die Juroren die Texte bereits vor den Vorträgen. Wachsende Kritik an der Qualität der Texte selbst führte 2004 zu der neuen Regelung, dass die eingeladenen Autoren schon Veröffentlichungen vorweisen müssen.
bor/dpa