Von "Wer sonst?" bis zu "Genozid-Leugner" Geteiltes Echo auf Literaturnobelpreis für Peter Handke

Die Vergabe des Nobelpreises für Literatur an Peter Handke sorgt international für unterschiedliche Reaktionen - sie reichen von Jubel bis zu tiefem Bedauern und Unverständnis. Eine Zusammenstellung.
Von Bedauern bis Jubel: Die Reaktionen auf Peter Handkes Nobelpreis sind sehr gemischt

Von Bedauern bis Jubel: Die Reaktionen auf Peter Handkes Nobelpreis sind sehr gemischt

Foto: Francois Mori/ DPA

Erst mal in den Wald. Nachdem Peter Handke von seiner Auszeichnung mit dem Nobelpreis erfahren hatte, ging er spazieren, vier Stunden lang. Seine erste Reaktion auf den Anruf des Komitees war die Frage: "Ist das wahr?". Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sprach Handke später von einer "mutigen Entscheidung" der Schwedischen Akademie.

Zumindest ist es eine, die nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt. Die Auszeichnung Peter Handkes hat sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. In seiner Heimat Österreich gratulierten der ehemalige und wahrscheinlich zukünftige Bundeskanzler Sebastian Kurz ("Visitenkarte für Österreich in der Welt") und Bundespräsident Alexander Van der Bellen: "Wir haben Peter Handke viel zu verdanken. Ich hoffe, er weiß das."

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Die österreichische Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek reagierte mit einem "Großartig!" auf die Nachricht und fügte hinzu: "Er wäre auf jeden Fall schon vor mir dran gewesen." Endlich erhalte den Preis jemand, "auf den sie in Österreich endlich stolz sein werden".

Der deutsche Regisseur Wim Wenders verfasste eine Laudatio auf Peter Handke, in der es heißt: "Wer sonst hat das Gewicht der Welt getragen mit nichts als dem Vertrauen in die Worte?" Handke hatte das Drehbuch zu Wenders' Film "Der Himmel über Berlin" geschrieben.

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Nobelpreisträger Peter Handke: Auf der Suche nach der "wahren Empfindung"

Foto: Herbert Neubauer/ APA/ DPA

Andere nehmen aber auch Handkes umstrittene politische Äußerungen in den Blick - vor allem seine Parteinahme für die Serben während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien und seine Grabrede für den wegen Völkermords vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagten serbischen Politiker Slobodan Milosevic.

So würdigte die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters Handke als "einen der wichtigsten zeitgenössischen deutschsprachigen Autoren", der allerdings mit seiner Provokationslust "so manches politische Tabu gebrochen" habe. Der Literaturkritiker Denis Scheck sagte, Handke beweise, dass man sich politisch total verlaufen und gleichzeitig Weltliteratur schreiben könne. "Die politische Korrektheit hat eine krachende Ohrfeige erhalten", so Scheck.

Der in Bosnien geborene Schriftsteller Sasa Stanisic, der mit seinem Buch "Herkunft" für den Deutschen Buchpreis nominiert ist, schrieb dagegen auf Twitter: "'Poetisch' ist kein Qualitätsmerkmal für Bewertung von Literatur" und ordnete Handkes Text "Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise" als persönlich besonders schmerzvoll ein.

Die US-amerikanische Abteilung des Autorenverbandes P.E.N. schreibt in einer Stellungnahme  von "tiefem Bedauern" über die Wahl Peter Handkes als Literatur-Nobelpreisträger 2019. "Wir sind sprachlos über die Auswahl eines Schriftstellers, der seine öffentliche Stimme dazu genutzt hat, historische Wahrheiten zu beschneiden und den Ausführenden eines Genozids Beistand zu leisten."

Die Organisation "Mütter von Srebrenica", in der sich Verwandte der Opfer des Massakers von 1995 sammeln, klagt das Auswahlkomitee an: "Es hätte wissen müssen, wer dieser Mann ist." Munira Subasic von der Organisation sagte: "Die Entscheidung hat uns verletzt und beleidigt, die wir Söhne, Ehemänner und Brüder verloren haben."

Aus Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo gab es harsche Kritik. Der ehemalige kosovarische Außenminister Petrit Selimi bezeichnete Handke über Twitter als Genozid-Leugner und fragte, ob die Nobelpreis-Akademie auch Handkes Rede, die er beim Begräbnis von Milosevic hielt, als Teil seines literarischen Opus berücksichtigt habe.

In Serbien dagegen wird Peter Handke gefeiert. Kulturminister Vladan Vukosavljevic sagte, der Autor habe den Preis schon viel früher verdient gehabt, aber "dann hat die Politik ihre Finger dazwischen gemischt". Handke wurde als "Freund Serbiens" gewürdigt.

Am Donnerstag gab Handke dem staatlichen serbischen Fernsehen ein Interview. Dort dankte er den Serben für ihre Unterstützung und sagte auf serbisch: "Heute Abend werden wir einen Schnaps und Weißwein trinken."

kae/AFP/ap
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