Literaturnobelpreisträger Tranströmer Ab in den Sessel, erst mal durchatmen

Literaturnobelpreisträger Tranströmer: Ab in den Sessel, erst mal durchatmen
Foto: JESSICA GOW/ AFPMitte der neunziger Jahre soll Tomas Tranströmer die Hoffnung aufgegeben haben. "Wir dachten, dass es eigentlich viel zu kompliziert mit der Vergabe an einen schwedischen Autor sein würde", verriet seine Ehefrau Monica Bladh-Tranströmer am Donnerstagmittag in einem Telefoninterview mit dem schwedischen TV-Sender SVT. Doch nach über einem Jahrzehnt auf der Favoritenliste konnte sich der gebürtige Stockholmer Tranströmer an diesem Donnerstag endlich bei der Schwedischen Akademie durchsetzen.
"Tomas ist unglaublich froh, aber auch überwältigt", sagte seine Ehefrau weiter. Der 80-jährige Tranströmer hat nach mehreren Schlaganfällen sein Sprachvermögen weitgehend verloren. Deshalb beantwortet seine Ehefrau Interviewfragen für ihn. "Tomas sitzt jetzt in seinem Sessel und atmet erst mal durch", sagte sie.
Bereits seit Jahren galt Tranströmer als einer der möglichen Anwärter auf den mit zehn Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotierten Literaturnobelpreis. Schwedische Journalisten hatten deshalb alljährlich am Tag der Bekanntgabe vor seiner Wohnung in Stockholm Stellung bezogen.
Dennoch sei die Auszeichnung "total überraschend", so der schwedische Verleger Peter Luthersson. "Es galt hier in Stockholm als völlig klar, dass der Preis nie an einen heimischen Autor gehen würde", sagte Luthersson. "Das hat nichts damit zu tun, dass Tranströmer ein unglaublich guter Poet ist."
Vielmehr sei die letzte Vergabe des Literaturnobelpreises 1974 an schwedische Preisträger traumatisch gewesen: Die allgemein harte Kritik an der Entscheidung für Eyvind Johnson und Harry Martinson habe sich Letzterer so zu Herzen genommen, dass er sich 1976 umgebracht habe. Johnson starb zwei Jahre später.
In Deutschland hat Tranströmers Auszeichnung gemischte Reaktionen hervorgerufen. Literaturkritiker und TV-Journalist Denis Scheck lobte Tranströmer als "beste Wahl nach Philip Roth". Tranströmer habe "die Möglichkeiten der Lyrik als Erkenntnismittel genutzt und erweitert", sagte Scheck. Der Kritiker sprach zudem von einem "großen Tag": "Der Nobelpreis bleibt zu Hause und ist dennoch nicht provinziell geworden."
ZDF-Moderator Wolfgang Herles ("Das blaue Sofa") merkte hingegen an, dass die Schwedische Akademie auch jemanden von einem anderen Kontinent hätte wählen können, zum Beispiel den syrischen Dichter Adonis, der auch etwas politischer schreibe. Tatsächlich ist Tranströmer der achte Europäer, der in den vergangenen zehn Jahren den prestigeträchtigen Preis gewonnen hat.