Machtkampf bei Suhrkamp Vize-Chef Günther Berg muss gehen
Hamburg - "Über die Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung konnte keine Verständigung erzielt werden" hieß es in einer Pressemitteilung vom Dienstagnachmittag. Günther Bergs Abgang darf als Sieg der Verlegerwitwe Ulla Unseld-Berkéwicz im hausinternen Machtkampf gewertet werden - einem Machtkampf, der bisweilen die Züge einer Fernsehsoap trägt.
Im Mittelpunkt dieser Soap steht Berkéwicz, 51, die Mitte Oktober den Vorsitz der Suhrkamp-Geschäftsführung übernommen hat. Seither war Berg, den noch der 2002 verstorbene Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld als Verlagsleiter eingesetzt hatte, nur noch ihr Stellvertreter in einem insgesamt vierköpfigen Geschäftsführerteam. Berkéwicz, die einst Theaterschauspielerin war und Schriftstellerin ist, wurde in den vergangenen Wochen in verschiedenen deutschen Feuilletons scharf angegriffen. Unter anderem wurden ihr spiritistische Neigungen nachgesagt. Gegen diese Vorwürfe setzte sie sich in einem SPIEGEL-Gespräch zur Wehr - indem sie sie halb bestätigte: Der Suhrkamp Verlag, so Berkéwicz, habe "durchaus auch eine metaphysische Tradition".
Sie fühle sich nicht allein der "Kahlheit der Aufklärerei" verpflichtet, zitierte die Neu-Verlegerin Hegel. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Angriffe auf Berkéwicz zumindest zum Teil hausintern Günther Berg angelastet wurden. So hat Berg erst vor wenigen Tagen eine einstweilige Verfügung gegen den früheren Theater-Intendanten Ivan Nagel erwirkt. Der darf nun vermeintlich ehrenrührige Passagen aus einem Zeitungsartikel über die neuen Machtverhältnisse bei Suhrkamp nicht wiederholen. Nagel hatte in einem Text zur Verteidigung der Verlegerin Berkéwicz spekuliert, deren Gegner seien "anscheinend von berufener Stelle informiert worden."
Offiziell behauptet der Suhrkamp Verlag nun, man habe sich "im gegenseitigen Einvernehmen" getrennt. Das Gegenteil sei der Fall, sagt ein Frankfurter Suhrkamp-Insider. Im Haus, so behauptet er, gehe nun die Angst um, "dass jeder gehen muss, der nicht alle Beschlüsse von Frau Berkéwicz abnickt".
Es ist schwer zu sagen, ob und in welchem Maß die so genannte Suhrkamp-Kultur, um die sich Deutschlands Feuilletonisten derzeit fast rührend sorgen, durch das Wirken der neuen Verlags-Chefin tatsächlich Schaden nehmen könnte. Tatsache ist, dass die Angriffe ihrer Gegner oft von so verblüffender Rohheit sind, dass sie sich selbst disqualifizieren. So hieß es in der Tageszeitung "Die Welt": Berkéwicz sei "bislang durch verlegerische Arbeit nicht aufgefallen" und habe "als aufstrebende Schauspielerin ... den berühmten Bühnenbildner und Regisseur Wilfried Minks" geheiratet. "Gleichwohl konnte sie sich auf deutschen Bühnen nicht durchsetzen." Später habe sie "als aufstrebende Schriftstellerin den berühmten Verleger Siegfried Unseld" geehelicht. "Gleichwohl konnte sie sich im deutschen Literaturbetrieb nicht durchsetzen." Und ganz so weiter im Text. Solche Attacken wären nicht der Erwähnung wert, spürte man darin nicht etwas Symptomatisches. Da wütet eine nicht bloß vorgestrige, sondern geradezu atavistische Männerangst vor der Neu-Verlegerin.
Zugleich aber sieht es so aus, als passe Ulla Berkéwicz exakt ins Klischee feministischer Karriereträume: Sie findet sich wieder in der Rolle eines jener bösen Mädchen, die bekanntlich überall hin kommen - manchmal sogar auf den Chefposten in Deutschlands allerwichtigstem Verlag.