Der selbst ernannte "Pate von Berlin" "Wir schlugen ihn kaputt"

Mahmoud Al-Zein in Berlin im Jahr 2018: Der Clanchef hat eine Autobiografie vorgelegt
Foto:Sean Gallup/ Getty Images
Endlich, nach 254 kriegerischen, ich-verherrlichenden Buchseiten kommt Mahmoud Al-Zein zum wahren Grund seines Schreibens: Er habe von seinen Jungs in letzter Zeit wahnsinnig viel über die Clanserie "4 Blocks" gehört. Begeistertes und Vernichtendes. Einig waren sich alle nur in einem: "Da wurde Al-Zein kopiert." Frechheit!
Mahmoud Al-Zein, den sie den "Paten von Berlin" nennen, war echt gereizt, als er das hörte. Und man sollte ihn lieber nicht reizen, das weiß die Stadt, das wissen seine Gegner. Denn seine Familie ist sehr groß. Und wenn er Krieg ausruft, dann ist auch Krieg. Aber wir haben Glück. Mahmoud al-Zein ist alt, friedlich und weise geworden. Er schlägt jetzt nicht mehr mit Äxten zurück, sondern mit Buchstaben. Er hat also ein Buch geschrieben, das endet so: "Also zum Teufel mit ‚4 Blocks‘. Jetzt redet das Original. Das Original bin ich."
Willkommen in der Gangster-Welt von Berlin. Willkommen in der Welt der Clans: "Mein Weg, meine Familie, meine Regeln" ist der Untertitel dieser Unterweltfibel. Mahmoud Al-Zein, mehrfach vorbestraft wegen Drogenhandels, Oberhaupt einer Familie von, wie er selbst schreibt, 2000 Mitgliedern. 1982 kam er aus dem Libanon nach Berlin. Er sollte hier, nach dem Willen seiner Familie, eigentlich nur mal kurz Ferien machen. Sich ein bisschen beruhigen, im Bürgerkrieg von Beirut galt er als besonders hitzköpfiger, furchtloser Krieger und Anführer seiner eigenen Miliz.
Selbstgerechtigkeit statt deutscher Justiz
Seine Familie, so schreibt er, fürchtete, er würde dort nicht lange leben. Also warum nicht zum Abkühlen nach Berlin? Doch während seines Aufenthaltes in Deutschland brach der Libanonkrieg zwischen Israel und seinem Heimatland aus. Eine Rückkehr war zunächst ausgeschlossen. So blieb er. Und den Krieg, den brachte er mit nach Deutschland. So schreibt er es selbst.
Mahmoud Al-Zein hat eine klassische Einwanderergeschichte als Erfolgsgeschichte geschrieben. Erfolg jedoch nach seinen Regeln. Regeln, die die deutsche Justiz, die deutsche Polizei, der deutsche Staat aus ihm unverständlichen Gründen nicht anerkennt. Al-Zein braucht keine Regeln oder Gesetze, die irgendwer aus irgendwelchen Gründen aufgeschrieben hat. Das Gesetz ist er selbst. Er wendet es zum Guten aller an. Er nennt sich Schlichter, ein "guter Diplomat", einer, der die Dinge "regelt".
"Gelegentliche Kämpfe blieben in meiner Anfangszeit in Berlin nicht aus. Besonders wenn jemand meine Ehre oder die eines meiner Brüder verletzte, gab ich knallhart Kontra. Ein Bruder musste kein Blutsverwandter sein. Wir bezeichneten auch enge Freunde und Cousins so. Wer sie anmachte, bekam es mit uns zu tun. Schnell bekam der Name Al-Zein auf der Straße einen streitbaren Klang."
Der eine oder andere Drogendeal
Dieser Klang klingt dann zum Beispiel so: Ein "schlaksiger Schönling" hatte den nötigen Respekt fehlen lassen. "Wer bist du überhaupt?" hatte dieser Schönling Al-Zein gefragt. "Wer ich bin? Mahmoud Al-Zein – merk dir diesen Namen, du kleiner Hund. Wenn du dich mit mir anlegst, bereust du das."
Irgendwie hat sich der Schönling den Namen dann aber wohl nicht so ganz richtig gemerkt. Jedenfalls muss unser Mann mit seinen Brüdern deutlicher werden: "Wir konnten diese Provokation nicht so stehen lassen, das hätte unsere Stellung geschwächt." Klar, was folgt: "Wir machten kurzen Prozess mit ihm, schlugen ihn kaputt."
Für diesen Mann, so denkt man beim Lesen dieses Buches immer wieder, ist das Wort "Selbstgerechtigkeit" erfunden worden. "Ich ließ mich von meinen eigenen Prinzipien und meinem Gerechtigkeitsgefühl leiten. Das funktionierte gut", schreibt er.
Dass er mehrfach zu Haftstrafen verurteilt wird, bleibt ihm letztlich unverständlich. Gut, er gibt da mal das ein oder andere Drogengeschäftchen zu, aber eigentlich nur, damit die Richter überhaupt mal irgendwas in der Hand haben gegen ihn. Grundlage seines Lebens und Wirtschaftens ist: "Respekt". Dass die Stadt Respekt vor ihm hat. Andere würden vielleicht sagen: Angst.
Bemerkenswerte Weinerlichkeit
Er selbst beschreibt seine Geschäfte mal so: "Zwar hatten wir keine eigenen Läden, aber wir waren an allen möglichen Geschäften beteiligt. Hier ein gezieltes Durchgreifen in einer Bandenfehde, da eine Aufräumaktion in einem Club, Zigaretten-Deals, Security...Wir machten alles Mögliche. Und wir machten es zuverlässig." Das Wort "Schutzgeld" zum Beispiel kommt im ganzen Buch nicht vor.
Mahmoud Al-Zein kombiniert seine Geschichte von der Machteroberung Berlins mit einer bemerkenswerten Weinerlichkeit, wenn es um die Integrationsleistungen Deutschlands geht. Wie gern hätte er zum Beispiel die deutsche Sprache besser verstanden. Doch leider wurde diese "nur jeweils eine Stunde pro Schultag unterrichtet".
Er habe sich von den Deutschen abgelehnt gefühlt. Mangelnden Respekt beklagt er bei den Beschäftigten der Ämter, die er selbst im gleichen Atemzug "Bürohengste" nennt. Er beklagt sich, dass eine Schwangerschaft seiner Frau, die insgesamt neun Kinder zur Welt brachte, für ihn nicht als Grund zu Haftverschonung anerkannt wird. Er klagt: "Niemand nahm uns an der Hand, um Fragen bei der Erziehung zu beantworten." Und: "Heute finde ich es würdelos, wie der deutsche Staat damals mit Menschen wie uns umging, die nichts außer sich selbst hatten."
Absurde Selbstverherrlichung
Als ihm einmal ein Geschäftsfreund eine Villa im brandenburgischen Buckow schenken möchte – kein Witz, Al-Zein hatte ihm da so einen Gefallen getan – wurde er auf dem Weg zur Besichtigung von der Polizei verfolgt und wieder einmal festgenommen. So konnte er in das nette Geschenk nicht einziehen. Sondern stattdessen wieder mal in den Knast. Dass seine Familie die ganze Zeit Sozialhilfe vom deutschen Staat bezieht, findet er komplett in Ordnung. Schließlich sei der Staat selbst dran schuld, da man ihm als Staatenlosen so viele Jahre die Anerkennung als Flüchtling verwehrt hat.
Dass seine "Familie" inzwischen in diesem ungastlichen Land auf 2000 Leute angewachsen ist, muss wohl irgendwelche anderen Gründe haben. Vielleicht die schöne Landschaft.
Er jedenfalls ist jetzt raus aus allen Geschäften. "Im Baumarkt kaufte ich Erde, Schaufel, Harke, Setzlinge, pflanzte Obst an, besorgte Hühner und Hasen, bestellte meinen eigenen Garten."
Eine Botschaft hat er am Ende auch noch. An alle. An die "deutsche Gesamtgesellschaft" und das ist diese: "Vielleicht, dass sie sich ein eigenes Bild machen sollte, statt jedes Schurkenklischee aus der Zeitung für bare Münze zu nehmen." Ob das ein guter Rat ist? Dem Leser dieser absurden Selbstverherrlichung will scheinen, als sei jedes Medienklischee aus "4 Blocks" oder von anderswo glaubwürdiger und sympathischer als dieses.