Nach Sexfilm Houellebecq rechnet mit Medien und Regisseur Ruitenbeek ab

Autor Michel Houellebecq hat einen Ich-Text über die vergangenen Monate verfasst
Foto:Guillaume Souvant / AFP
Er hat in den vergangenen Monaten für viel Wirbel gesorgt. Da waren die Äußerungen im rechtspopulistischen Magazin »Front Populaire«, die Michel Houellebecq den Vorwurf der Islamophobie einbrachten. Und dann war da der Trailer eines pornografischen Kurzfilms, in dem Houellebecq mit mehreren Prostituierten Sex haben soll. Der Schriftsteller wollte den Film verbieten lassen. Nach einer Abfuhr erzielte er nun vor einem Berufsgericht einen Teilerfolg. Dennoch: Auch für Houellebecq-Verhältnisse erschien das alles erklärungsbedürftig. Wohl auch für ihn selbst. Nun hat der französische Autor darüber einen etwa 100-Seiten langen Ich-Text verfasst.
Das Buch »Quelques mois dans ma vie« (auf Deutsch übersetzt also: »Einige Monate in meinem Leben«) erscheint zunächst nur in Frankreich. Wie der 65-Jährige die vergangene Zeit erlebt hat, beschreibt er bereits auf der Rückseite des Buches: »Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, wie das Objekt in einer Tierdokumentation behandelt zu werden. Es fällt mir schwer, das zu vergessen«. Das Cover: schwarz wie eine Traueranzeige.
Aussagen seien Missverständnis
Auf das im Herbst veröffentlichte »Front Populaire«-Interview geht er nur kurz ein. Er nennt seine Aussagen über Muslime »idiotisch«. Sie seien ein Missverständnis. Er sei nicht islamfeindlich und bedauere, dass er das Interview – immerhin 45 Seiten – nicht gegengelesen habe. Schon 2001 sorgte Houellebecq für viel Aufsehen: Damals hatte er gesagt, dass der Islam die dümmste Religion sei.
Die meisten Seiten im Buch nimmt aber der Sexfilm des niederländischen Regisseurs Stefan Ruitenbeek ein. Den nennt Houellebecq verachtend »cafard« (Kakerlake). Dass es sich bei dem Kurzfilm um einen Porno handle, streitet er nicht ab. »Ich wollte mit meiner Frau private Pornovideos drehen. Erfahrungen haben mir gezeigt, dass das nicht einfach ist«, gibt er als Grund für den Dreh mit sich in der Hauptrolle an. Lange Ausführungen folgen, in denen er sein Interesse an Amateurpornos erklärt, die er dank einer jungen Deutschen entdeckt habe. Sexualität sei für ihn die größte und nachhaltigste Freude im Leben.
Schlechte Stimmung am Set
Die Filmaufnahmen fanden Ende Dezember vor allem in Amsterdam statt. Houellebecqs Beschreibung nach ging gleich von Anfang an alles schief: schlechte Stimmung und Frauen, die nicht seinen Erwartungen entsprochen hätten. Ihnen gibt er in seinem Buch unter anderem die liebevollen Namen Truie (Sau) und Dinde (Pute).
Houellebecq wollte den Film nach dem Wirbel verbieten lassen. In erster Instanz lehnten Gerichte seine Klage und die Begründung ab, er sei depressiv und betrunken gewesen, als er den Vertrag unterzeichnet habe. Einen Teilerfolg hat er nun vor einem holländischen Berufungsgericht erzielt: Ruitenbeek muss ihm den fertigen Film vor Veröffentlichung vorlegen.
»Kleine Erbsen«
Houellebecq hat mit dem Schreiben des Textes in der Nacht zum 31. März begonnen. Einige Freunde rieten ihm ab und meinten, der Wirbel um ihn werde sich legen. Vielleicht hätte der Autor von »Unterwerfung« und »Elementarteilchen« gut daran getan, diesen Rat zu befolgen. Denn aus »Quelques mois dans ma vie« hat er eine persönliche Abrechnung gemacht. Er stilisiert sich zum Opfer der Medien, die er als Schweine und Rüpel bezeichnet. Er sieht sich auch als Opfer der Justiz, nennt dabei Richter »kleine Erbsen«.
Bei alledem verlässt ihn das Taktgefühl, wenn er denn überhaupt welches besitzt. Und er überschreitet Grenzen, wenn er etwa schreibt: »Bei dem Gedanken, dass der Film gegen meinen Willen verbreitet werden kann, habe ich erstmals das Gefühl gehabt, das Frauen beschreiben, die vergewaltigt worden sind.«