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"Hitlers 9. November": Überhöhung der Mutter

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Monografie Britische Zeitungen diffamieren deutschen Hitler-Forscher

Der deutsche Historiker Joachim Riecker hat ein Buch über Hitlers Judenhass geschrieben. Britische Zeitungen veröffentlichten entstellende Artikel zu der Monografie. Jetzt kämpft der seriöse Forscher um seinen Ruf. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE zeigt sich Riecker entsetzt - und erwartet eine Korrektur.

SPIEGEL ONLINE: Herr Riecker, Sie haben ein Buch über Hitler und den Holocaust geschrieben. Ihre zentrale These in "Hitlers 9. November" lautet, die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg sei einer der hauptsächlichen Gründe für Hitlers antisemitischen Wahn. Nun haben das Boulevardblatt "Daily Mail" und die Zeitung "Daily Telegraph" behauptet, Sie hätten in Ihrem Buch geschrieben, ursächlich für den Judenhass sei die "falsche Behandlung" der Mutter Hitlers durch den jüdischen Hausarzt. Sie werden sogar wörtlich zitiert. Hat die "Daily Mail" je mit Ihnen gesprochen?

Riecker: Nein. Der Autor bezog seine Informationen offenbar von einer obskuren österreichischen Website mit englischsprachigen Artikeln, auf der mein Buch fehlerhaft rezensiert wurde. Dort waren die mir zugeschriebenen Zitate erstmals zu lesen.

SPIEGEL ONLINE: Wer Ihr Buch aufmerksam liest, findet keinen Hinweis darauf, dass Sie die These des US-Historikers Binion stützen, der den Judenhass Hitlers unter anderem auch auf die Behandlungsmethoden des Hausarztes zurückführt. Sie weisen ihn sogar in einem Kapitel explizit zurück. Trotzdem werden Sie von "Daily Mail" mit den Worten zitiert, Hitler habe "diesem jüdischen Arzt nie vergeben" und sei deshalb zum Antisemiten geworden.

Riecker: Diese Behauptung ist schlichtweg Unsinn. Der Allgemeinarzt Eduard Bloch, der 1907 Hitlers Mutter behandelt hatte, lebte bei der Besetzung Österreichs durch die Wehrmacht 1938 noch immer in Linz. Er wurde unter den Schutz der Gestapo gestellt, konnte seinen Besitz regulär verkaufen und 1940 mit seiner Ehefrau in die USA emigrieren. Die Historikerin Brigitte Hamann hat kürzlich ein Buch über Eduard Bloch veröffentlicht und zitiert Hitler sogar mit der Bemerkung, der ehemalige Hausarzt seiner Mutter sei "ein Edeljude".

SPIEGEL ONLINE: Welche Folgen hatte die Meldung der "Daily Mail" für Sie?

Riecker: Unter Berufung auf die "Daily Mail" wurden die mir fälschlich zugeschriebenen Zitate weltweit von mehreren Zeitungen verbreitet, so etwa von der "Times of India" oder der großen israelischen Tageszeitung "Haaretz" - und zwar jedes Mal unter Nennung meines Namens. Auch in Informationsdiensten der israelischen Regierung sind sie bereits zu lesen, so auch auf der Website von Israels Botschaft beim Vatikan.

SPIEGEL ONLINE: Auch die Bloggerszene hat ungeprüft die Darstellung der "Daily Mail" übernommen. Fürchten Sie um Ihren Ruf als seriöser Journalist der "Märkischen Allgemeinen Zeitung", die zum Verlag der renommierten "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gehört?

Riecker: Natürlich. Der Holocaust ist ein hoch sensibles Thema. Ein Autor kann durch solche Falschmeldungen schnell als unseriös gelten. Schlimmeres möchte ich mir jetzt gar nicht vorstellen.

SPIEGEL ONLINE: Werden Sie juristisch gegen die "Daily Mail" vorgehen?

Riecker: Diese Möglichkeit halte ich mir offen. Zunächst einmal erwarte ich, dass "Daily Mail" und die übrigen Zeitungen einen Artikel veröffentlichen, der die Thesen meines Buches korrekt wiedergibt. Es gibt entsprechende Gespräche. Mittlerweile ist im "Telegraph" eine Korrektur erschienen. Der Schaden, der durch die Berichterstattung in anderen Medien entstanden ist, kann dadurch nicht wieder gut gemacht werden. Speziell im Hinblick auf Israel empfinde ich das als sehr bedauerlich.

Das Interview führte Severin Weiland

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