Inge Jens, 94

Sie wurde berühmt als Arbeits- und Lebensgefährtin eines lauten, wirkmächtigen deutschen Intellektuellen, was angesichts ihrer eigenen schöpferischen Kraft sicher ungerecht war und im Blick auf ihre Biografie auch tragisch wirken konnte. »Frau Thomas Mann. Das Leben der Katharina Pringsheim«, hieß eines der Bücher, das Inge Jens gemeinsam mit ihrem Mann Walter Jens (1923 bis 2013) veröffentlicht hat.
Es war das aus Briefen und Tagebucheinträgen komponierte Porträt einer selbstbewussten und oft humorvoll auftretenden Frau an der Seite eines begabten Mannes mit Stargebaren – und damit eine Spiegelung ihrer eigenen Existenz. Inge Jens wuchs unter ihrem Mädchennamen Inge Puttfarcken in wohlhabenden Verhältnissen in Hamburg auf. Ihr Vater arbeitete in einer Nachrichtenabteilung der SS, sie selbst war im nationalsozialistischen »Bund Deutscher Mädel« engagiert. In Tübingen, wo sie 1949 Literaturwissenschaft zu studieren begann, lernte sie Walter Jens kennen, 1951 heirateten die beiden. Während ihr Mann als Autor, Kritiker, Redner und Rhetorikprofessor zu einer der prägenden Gestalten des westdeutschen Nachkriegs-Kulturlebens wurde, arbeitete Inge Jens weniger spektakulär als Herausgeberin. Sie editierte und kommentierte wichtige Briefwechsel wie den zwischen Thomas Mann und dem Kölner Germanisten Ernst Bertram sowie die Tagebücher Thomas Manns.
Klug, bodenständig und entschlossen trat sie als Kämpferin der Achtzigerjahre-Friedensbewegung auf. Als 1991 der Golfkrieg zwischen den USA und dem Irak begann, versteckte das Ehepaar Jens zwei desertierte US-Soldaten in seinem Haus in Tübingen. Nachdem ihr Mann zu Beginn der Nullerjahre spät seine eigene Mitgliedschaft in der NSDAP eingestanden hatte und an Demenz erkrankt war, stand Inge Jens ihm bei – und schilderte unter anderem in dem Buch »Unvollständige Erinnerungen« (2009) die Entfremdung von ihrem Gefährten, den »die Krankheit zu einem anderen Menschen gemacht« habe. Inge Jens starb am 23. Dezember in Tübingen.