Nobelpreis-Debatte Handke verteidigt Jugoslawien-Haltung

Er habe sich nie vor Slobodan Milosevic verbeugt, die Berichterstattung damals aber einseitig gefunden: Der umstrittene Literaturnobelpreisträger Peter Handke versucht in einem Interview, seine Jugoslawien-Haltung zu legitimieren.
Peter Handke (Archivbild)

Peter Handke (Archivbild)

Foto: Hugo Correia/ REUTERS

Drei Wochen vor der Verleihung des Literaturnobelpreises hat sich Schriftsteller Peter Handke ausführlich zu seiner umstrittenen proserbischen Haltung während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien geäußert. Es sei um "Gerechtigkeit für Serbien" gegangen, sagte er im Interview  der Wochenzeitung "Die Zeit". Und weiter: "Wie konnte Deutschland Kroatien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina anerkennen, wenn auf dem Gebiet mehr als ein Drittel orthodoxe und muslimische Serben lebten? So entstand ein Bruderkrieg, und es gibt keine schlimmeren Kriege als Bruderkriege." Die Berichterstattung über Serbien sei damals einseitig gewesen.

Das sei der Grund gewesen, so Handke, weshalb er sich mit Serbien solidarisiert habe. 2006 hielt er bei der Beerdigung des sechs Jahre zuvor gestürzten Slobodan Milosevic eine Rede, zuvor hatte er mit dem Serben-Führer während dessen Haft in Den Haag gesprochen. Im "Zeit"-Interview distanziert sich der Schriftsteller nun indirekt von Milosevic: "Wenn man mit ehemals Mächtigen spricht, dann benutzen sie manchmal den Schriftsteller als Geschichtsschreiber." Der 76-Jährige sagte, er habe niemals Sympathien für Milosevic geäußert: "Ich habe mich keinen Augenblick verbeugt, weder innerlich noch äußerlich."

"Natürlich war ich da"

Denn natürlich sei auch der Künstler dazu angehalten, ethisch zu handeln, so Handke in der "Zeit": "Ein Schriftsteller sollte ein guter Mensch sein. Das gelingt nicht immer, leider." Mit diesem kurzen Statement stellt sich Handke auch gegen jene, die in der Diskussion um die Verleihung des Literaturnobelpreises die Meinung vertraten, bei der Auszeichnung werde nicht der Mensch, sondern der Schriftsteller ausgezeichnet. Eine Unterscheidung, die Handke selbst so offenbar nicht treffen will.

Die Bekanntgabe der Verleihung der weltweit wichtigsten Literaturauszeichnung war Anfang Oktober international auf ein geteiltes Echo gestoßen. Zur Preisverleihung am 10. Dezember in Stockholm sind Proteste angekündigt.

"Kein Wort von dem, was ich über Jugoslawien geschrieben habe, ist denunzierbar, kein einziges. Das ist Literatur", betonte Handke. "Ich bin Jugoslawe von meiner Mutter her und vom Bruder meiner Mutter, der in Maribor studiert hatte. Der Großvater hat bei der Volksabstimmung in Kärnten für den Anschluss an Jugoslawien votiert. Jugoslawien hat für mich etwas bedeutet. Und wenn man mir jetzt mit Serbien kommt, ist man unredlich. Ich bin wegen Jugoslawien hin."

Zu seiner Teilnahme an Milosevics Beerdigung sagte der Nobelpreisträger: "Natürlich war ich da. Er hat bei einer der letzten Abstimmungen dafür votiert, Jugoslawien nicht aufzulösen. Sein Begräbnis war auch das Begräbnis von Jugoslawien. Hat man vergessen, dass dieser Staat gegen das Hitler-Reich gegründet worden ist?"

cbu/dpa
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