Premiere "Wünsch dir was" Ein Stück zwischen Himmel und Hölle

Sibylle Bergs neues Theaterstück "Wünsch dir was" ist ein Musical über Götter, Menschen, Jungfrauen und Ameisenbären. Bei der Premiere am Schauspielhaus Zürich wurde viel gelacht, niemand fühlte sich beleidigt – trotz vieler Seitenhiebe gegen die Religion
Von Henryk M. Broder

War das früher einfach, sich mit Gott und seinen Dienern anzulegen.

Galileo Galilei wurde zum Widerruf und Hausarrest verurteilt, Giordano Bruno verbrannt, Baruch Spinoza von den Juden exkommuniziert, Oskar Panizza musste für seine Vatikan-Satire "Das Liebeskonzil" ein Jahr absitzen. Auch heute ist es nicht ungefährlich, den Allmächtigen herauszufordern, wobei die Gefahr gestaffelt ist.

Wer den Papst schmäht, wie Drewermann oder Küng, wird zu Beckmann oder Kerner eingeladen, wer sich über Mohammed lustig macht, wie Salman Rushdie oder Ayaan Hirsi Ali, riskiert sein Leben.

Sybille Berg freilich, deren neues Stück "Wünsch dir was" vorgestern in Zürich Premiere hatte, liegt im Bett und entspannt sich vom Stress der letzten Tage. Ihr Mann Chanan sitzt derweil am Computer und schreibt mails. "So ist es bei uns immer", sagt Frau Berg, "ich hab schwache Nerven und er macht sich ein Leben".

Aber Frau Berg leidet nicht wirklich. Denn nach der Uraufführung gab es minutenlangen Beifall, viele Zugaben und hinterher einen Empfang, bei dem ihr die Kritiker auf die schmalen Schultern klopften. Die Frage ist nur, ob aus Anerkennung oder aus Erleichterung, denn schon vor der Premiere wurde geraunt, das Stück habe es "in sich", es gehe "respektlos" mit Religionen um und mache sich über alles lustig, was gläubigen Menschen lieb und heilig ist.

Doch Zürich ist nicht Berlin, und deswegen gab es viele Lacher und keine Proteste. Und das obwohl das Stück irgendwo zwischen Himmel und Hölle spielt, die vier Hauptcharaktere Allah, Buddha, Elohim und Gott heißen, Gottes Sohn auf den Namen Ralf hört, wie Ralf Morgenstern ("Blond am Freitag") auftritt und Maria ("Ich hab meinen Eisprung!") unbedingt von Gott ganz normal geschwängert werden möchte. Dazu singt ein Chor aus drei Ameisenbären, ein Pärchen, Nicole und Patrick, spricht bedeutungsschwere Sätze ("Das Leben ist ein großer Mist, wir müssen dem Mist eine Chance geben!") und ein Bengale betet zu Gott: "Großer Allah, gib mir Kraft, aufzurichten meinen Schaft!"

Autorin Sibylle Berg: "Ich machte lauter Saujobs"

Es ist nicht das erste Theaterstück, aber das erste Musical, das Frau Berg geschrieben hat, eine Posse mit Gesang und Tanz. "Ich wollte ausprobieren, ob ich so was kann." So war es bei ihr immer. 1962 in Weimar/DDR geboren, stellte sie mit 20 einen Ausreiseantrag und wurde zwei Jahre später ausgebürgert. Sie ging nach Westberlin und von dort weiter nach Tessin an eine Akrobatenschule, die sie aber nach sechs Monaten mangels Talent wieder verlassen musste. In Hamburg machte sie "lauter Saujobs, weil ich nichts konnte", wollte aber schon damals "etwas machen, damit ich reich werde und in die Schweiz kann".

Und so fing sie an zu schreiben. Ihr erster Roman hieß "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot" und war "der Renner bei allen Verstörten und Ungeliebten, mit denen keiner auf dem Pausenhof gespielt hat". 1995 zog sie tatsächlich in die Schweiz, nach Zürich, "das war mein Traum von heiler Welt", da war sie "noch nicht reich, aber schon ein bisschen berühmt", hielt sich erstmal mit Lesungen über Wasser und schrieb weiter für die Verstörten und Ungeliebten, die ihr treu blieben. Einen Roman nach dem anderen und zwischendurch Theaterstücke über die Hölle auf Erden. "Ich wechsle ungern Orte oder Menschen, nur die Unterwäsche, und die wird dann verkauft."

Bei "Wünsch dir was" geht es "um Maßlosigkeit und Illusionen, um kleinteilige Zufriedenheit und Tiere", um den Verlust der Seele und um praktische Lebenshilfe. Wenn Nicole zum Beispiel zu ihrem Mann Patrick sagt: "Liebe wird überschätzt", dann ist das auch die Meinung von Frau Berg. "Es ist schön, jemand zu haben, der nett ist und der dich krault, das reicht." Sex interessiere sie nicht. "Das ist die Fortsetzung von Essen und Trinken."

"Religion geht mir am Arsch vorbei"

Konkret: Würden RTL und arte fusionieren, wäre Frau Bergs "Wünsch dir was" das Beiprogramm zur Releaseparty, eine Mischung aus "Rocky Horror Picture Show" und "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Allah, Buddha und Elohim singen im Chor: "Wir trinken Cognac schon am Morgen, wir haben keine Sorgen..., der Mensch ist Dreck und uns ist klar: Wir sind im Himmel – wunderbar!" Der Gott der Christen verkleidet sich als Pudel und sinniert über die Menschen: "Wie sie ficken, schlagen, raufen/ und bei Lichte sich besaufen/ wie sie hässlich sind bei Nacht/ und schnell noch ein Kind gemacht", während sein Sohn Ralf mit Dr. Freud auf der Couch liegt und nur einen Wunsch hat: "Ich möchte wieder nett angefasst werden."

Und so ist es am Ende doch ein Stück, das von der Freiheit handelt, sich über die Götter und den Glauben lustig machen zu dürfen. "Religion geht mir am Arsch vorbei", sagt Frau Berg, "ist doch vollkommen absurd, ich lese auch keine Stücke, die in Steine gehauen sind, ich möchte nicht darüber nachdenken müssen, ob ich jemand beleidige oder nicht".

Vor kurzem war sie in London. Da sah sie von Kopf bis Fuß verschleierte Frauen in den Straßen und fühlte sich selber beleidigt.

"Das ist, als wärest du ein Schwarzer und du siehst deine Brüder in Ketten an dir vorbeigehen."

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