
Buchhandel: Autoren gegen Amazon
Bücherkrieg 909 Autoren gegen Amazon
Amazon-Chef Jeff Bezos erwartet Post, wenn auch unerfreuliche: Die Sonntagsausgabe der "New York Times" wird einen ganzseitigen offenen Brief an ihn und sein Unternehmen Amazon enthalten , in dem schwere Vorwürfe zu lesen sind. 2,4 Millionen Käufer der Zeitung (Digitalverkauf inklusive) werden darin erfahren, wie Amazon Verlage unter Druck setze und Autoren schade. Unterzeichnet ist das Protestschreiben von 909 Autoren, von denen viele zu den Dauergästen auf den literarischen Bestsellerlisten zählen - auch bei Amazon.
Verfasst wurde das Protestschreiben von Thrillerautor Douglas Preston. Dessen Bücher erscheinen in den USA bei einem Tochterverlag des Unternehmens Hachette, was Preston zum Leidtragenden eines seit Monaten öffentlich ausgefochtenen Streits machte: Weil Hachette es ablehnte, sich darauf einzulassen, mehr Geld vom Verkaufspreis von E-Books an Amazon abzutreten, behinderte Amazon die Auslieferung von Hachette-Büchern.
Nicht nur in den USA klagen Verlage seitdem öffentlich über Knebelverträge eines Unternehmens , das das Marktsegment des Onlinebuchhandels weitgehend dominiert. Amazon hielt mit einem Angebot an die Hachette-Autoren dagegen: Um zu zeigen, dass es um einen Disput zwischen Handelspartnern gehe, der keinesfalls zulasten der Autoren gehen solle, bot die Firma an, bis zur Beilegung des Streits die Erlöse aus den Ebook-Verkäufen komplett an die Autoren zu zahlen. Hachette lehnte ab - offenbar mit Billigung seiner Autoren.
Amazon will alles sein
Die bekannten Vorwürfe erhalten nun neues Gewicht, weil sie eben von Autoren kommen: Preston hatte offenbar wenig Mühe, auch prominente Kollegen wie Stephen King, Paul Auster, James Patterson oder John Grisham zur Unterschrift zu bewegen.
Für Amazon ist das besonders schmerzlich, weil die Firma zwar Stellung gegen Verlage und Handel bezieht, sich selbst aber gern als Freund aller Autoren stilisiert - eine Art Robin Hood in einer Branche, die Autoren behandele wie einst der Sheriff von Nottingham seine Untertanen.
Das Unternehmen bemüht sich seit einigen Jahren massiv, Schreiber dazu zu bewegen, direkt bei Amazon zu veröffentlichen. Den Zwischenhandel auszuschalten, liegt dem Onlineversandhändler ja quasi in den Genen; seit einiger Zeit hält sich Amazon aber auch für fähig, Verlage zu ersetzen. Die Firma lockt Autoren mit Tantiemen, die oft zehnmal höher liegen als im klassischen Verlagsgeschäft. Neben E-Books veröffentlicht Amazon unter den Labels eigener Verlagshandelsmarken auch gedruckte Bücher. Und auch hier sind die Bedingungen für Autoren prinzipiell fantastisch.
Ein Klassenkampf?
Mit dem Abstrich, dass diese Werke eben meist nicht im Buchhandel präsent sind, sondern nur via Amazon erhältlich. Bisher erreicht Amazon mit seinen Veröffentlichungsofferten deshalb vor allem Newcomer und Selbstverlagsautoren - die Underdogs der Literaturszene, von denen manche so bisher ungekannte Erfolgserlebnisse haben. Etablierte Autoren ziehen aber meist noch die Unterstützung durch einen Verlag vor.
Sie schrecken davor zurück, sich von einer Firma abhängig zu machen, die nicht nur gleichzeitig Verlag, Handels- und Veröffentlichungsplattform sein will, sondern auch noch das Monopol auf die einzigen Geräte hält, mit denen man die elektronische Version der Werke lesen kann, wenn die exklusiv bei Amazon erscheinen.
Entscheidet sich ein Autor aber, sein Werk auf mehreren Plattformen zu veröffentlichen, enthält Amazon ihm die besten Konditionen vor . Kritiker des Unternehmens halten die Umarmung der Autoren darum eher für eine Art Doppelnelson - ein als "eisern" geltender Haltegriff, der das Potenzial hat, das Genick zu brechen.
So gewürgt fühlen sich Buchhandel und Verlage schon seit Längerem. In den USA hat der Handel jeden Grund dazu. Onlinehändler wie Amazon verdrängen den physischen Buchhandel zunehmend aus dem Straßenbild der Städte. Seit einigen Jahren gibt es in den USA erste Millionenmetropolen, in denen es keinen Buchhändler mehr gibt.
Der Markt ist dort dabei, sich zu entstofflichen: E-Books - ein Markt, den Amazon weitgehend dominiert - werden in den USA seit Jahren in höherer Stückzahl verkauft als Taschenbücher.
Hierzulande ist es noch nicht so weit, E-Books sind ein Nischenmarkt mit im internationalen Vergleich ungewöhnlich hohen Preisen - das wirkt abschreckend und verzögert den Medienwandel. Trotzdem krümelt auch hierzulande zunehmend die so sorgfältig aufgebaute, freundliche Fassade des weltweit größten Onlinehandelsunternehmens (Umsatz 2013: 74,5 Milliarden Dollar). Streiks von Amazon-Angestellten und Proteste aus dem deutschen Buchhandel haben auch in Deutschland Kratzer im Image hinterlassen.
Trotzdem hat die Firma weiterhin Unterstützer - auch im Lager der Autoren. Es sind vor allem Selbstverleger, die schon am Vortag der Veröffentlichung auf die "Times"-Anzeige der Bestsellerautoren mit einer eigenen Pro-Amazon-Petition antworteten: "Hört auf, euch gegen niedrige Preise und faire Bezahlung zu wehren", heißt es darin an die Adresse der Bestseller-Kollegen. Zumindest für die Einsteiger ist Bezos noch immer Robin Hood.
Amazon reagierte auf die "New York Times"-Aktion schon am Freitag. Das Unternehmen veröffentlichte seinerseits einen Brief, in dem es dazu aufruft, dem Chef von Hachette eine E-Mail zu schreiben .