
Rosamunde Pilcher gestorben: Sehnsuchtsort Cornwall
Zum Tod von Rosamunde Pilcher Queen Kitsch
In Cornwall und Devon kann man im Sommer nur schwerlich einen Tag verbringen, ohne die deutsche Sprache zu hören oder ein deutsches Nummernschild zu sehen. Deutsche am Strand, Deutsche auf den Klippen, Deutsche in den Gärten, Deutsche in den Pubs. Wenn man großes Pech hat, versperrt gerade ein Filmteam vom ZDF die entzückende Landstraße von Trevose Head nach Padstow. Später drehen sie dann in Prideaux Place, einem Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert, das schon eine Destillerie war, ein Hotel oder der Landsitz von Lord Willoughby - je nachdem, welcher Roman oder welche Kurzgeschichte von Rosamunde Pilcher gerade wieder verfilmt wird.
Wie Fans von "Herr der Ringe" nach Neuseeland pilgern, so reisen Leserinnen von "Stürmische Begegnung" geschlossen in den englischen Südwesten - und wundern sich dann, dass es dort, anders als im Fernsehen, gerne mal regnen kann. Beide Werke sind, auf ihre Weise, Fantasy. Pilcher selbst freute sich über ihre Popularität in Deutschland: "Ich bin die Königin des Kitsches genannt worden, aber das macht mit nichts aus - solange die Leute die Bücher kaufen".

Rosamunde Pilcher gestorben: Sehnsuchtsort Cornwall
Die Filme empfand sie als "reizend", die Nähe zum touristischen Werbefilm kümmerte sie nicht. Schließlich idealisieren die seriellen "Land- und Leidenschaft"-Schnulzen des ZDF die Ferienregion exakt so hemmungslos, wie sie selbst der Landschaft ihrer Kindheit in ihren Büchern sentimentale Denkmäler setzte.
In Cornwall schrieb die Tochter eines Marineoffiziers schon als Siebenjährige erste Geschichten, bevor sie eine schicksalhafte Begegnung mit Daphne du Maurier hatte: "Ich glaube, 'Rebecca' war das erste Erwachsenenbuch, dass ich jemals gelesen habe. Ich war ungefähr 14 Jahre alt". Ernsthaft ans Schreiben machte sie sich im Krieg, als sie auf einem Versorgungsschiff im Hafen von Colombo auf Sri Lanka stationiert war - alleine mit der Langeweile und einer Schreibmaschine.
Nach dem Krieg heiratete sie den Textilunternehmer Graham Pilcher und folgte ihm ins schottische Dundee. Dort blieb daheim, besorgte den Haushalt, hütete die Kinder, sehnte sich nach Cornwall, tippte nebenbei in der Küche - und verkaufte bald erste Kurzgeschichten unter dem Pseudonym Jane Fraser. Die Arbeit für Zeitschriften, also Fortsetzungsgeschichten für ein bestimmtes Publikum, färbte auch auf ihre Romane unter eigenem Namen ab.
Lang blieb der Erfolg bescheiden, die Frau arbeitete aus Überzeugung und zur eigenen Zerstreuung. Thymian duftet. Brandung rauscht. Landschaften illustrieren Seelenleben. Frauen sind stark, wissen aber trotzdem, wo ihr Platz ist. Männer wissen das auch und sind sehr galant. Hunde sind gute Freunde. Kinder sind wichtig, machen aber viele Sorgen. Krankheiten sind schlimm, aber überwindbar.
Hier gibt es sie noch, die guten Dinge und noch besseren Menschen. Und die Liebe sowieso, verkompliziert nur durch Irrungen des Herzens und Schläge des Schicksals. Am Ende wird verlässlich alles gut. Anders als bei Daphne du Maurier verirrt sich keine Psychopathin und kein Bösewicht in diese kleine, heile Welt.
Nach heutigen Maßstäben mag diese Haltung als altertümlich bis reaktionär geschmäht werden. Dazu müsste man allerdings ausblenden, dass Rosamunde Pilcher vor allem die eigene Jugend in idealisierten Pastellfarben malte - immer auf ein Publikum zu, das nach dem Weltkrieg gesteigerte Sehnsucht nach heiler Welt entwickelte.
Ihren Durchbruch zu weltweitem Erfolg verdankte Pilcher erst 1987 ihrem Roman "Die Muschelsucher", geplant und geschrieben mit Ermunterung ihres US-Verlegers und eines der erfolgreichsten Taschenbücher überhaupt. Ein bittersüßer Page-Turner mit einprägsamen Charakteren, weltweisen Einsichten, sanfter Melancholie.

Rosamunde Pilcher: "Lesen soll wie ein Urlaub sein"
Ossinger/ picture-alliance/ dpa
Die Geschichte um Penelope Keeling, Mittsechzigerin wie die Autorin damals, die nach - überwundener - Herzattacke auf ihr Leben und die eigenen, Sorgen bereitenden Kinder blickt, traf nicht nur den Nerv der Massen. Es begeisterte auch die Kritik. Der Rezensent der "New York Times" schrieb: "Rosamunde Pilcher, wo warst du mein ganzes Leben?"
Erst als die folgenden Bücher die Formel weiter variierte und der Erfolg sich festigte, bemäkelten Kritiker das Triviale an dieser Literatur - freilich unter Anerkennung des Handwerks. Pilcher selbst nannte ihre Bücher "leichte Lektüre für intelligente Ladies", die eben nach einem harten Tag gerne ein warmes Vollbad in entspannenden Stereotypen und duftenden Klischees nehmen.
Nie schwang sie sich zur Emily Brontë ihrer Zeit auf, nie sank sie aber zur Barbara Cartland herab. Sie machte gewissenhaft ihre Arbeit, und die machte sie gut. Ihre Kinder berichteten gerne, "privat" sei sie keineswegs sonderlich empfindsam oder romantisch. Was nur wundern kann, wer in Cornwall strahlenden Sonnenschein erwartet.
Unter ihrem eigenen Namen hat Pilcher nur 18 Romane veröffentlicht. Sie debütierte 1955 mit "A Secret To Tell" und beendete ihre Arbeit 2000 mit "Winter Solstice". Das ZDF hat seit 1989 insgesamt 144 "Herzkino"-Episoden aus ihrem Werk, ihren Kurzgeschichten und vermutlich sogar aus ihren Einkaufszetteln gemacht - Folge 145 ("Die Braut meines Bruders") ist in Vorbereitung.
Weil ihre Geschichten gerne mit einem besiegelnden Kuss enden, kam eine deutsche Drehbuchautorin einmal zu dem resoluten Urteil: "Pilcher ist prüde". Die Schriftstellerin differenzierte fein: "Geld und Sex verbessern das Leben, aber sobald du anfängst, darüber zu reden, werden sie stumpf. Halte sie unter Kontrolle, dann können es wunderbare Dinge sein". Möglich also, dass es nicht nur im Nachlass, sondern auch zwischen den Zeilen noch manches zu entdecken gibt.
Die Nachfrage des deutschen Publikums nach idyllischen Gesellschaften in idyllischen Landschaften, diese Verbindung aus milder Exotik und mildem Herzklopfen ist an sich schon ein eigenes Genre geworden. Auch wenn sie dafür die Vorlagen geliefert hat, ist Pilcher für ihre Verschmonzettung hierzulande nicht verantwortlich zu machen. Zumal sie im Seichten einen tieferen Sinn entdeckte: "Als jemand, der den Krieg erlebt hat, bin ich zufrieden, meine kleine Rolle dabei gespielt zu haben, das hinter uns zu lassen".
Nicht gut ging es ihr seit Weihnachten. Am Dienstag ist Rosamunde Pilcher an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben. Sie wurde 94 Jahre alt.