Autorin und Holocaustüberlebende Ruth Klüger ist tot

Sie überlebte Auschwitz und Theresienstadt: Die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Ruth Klüger war eine wichtige Stimme in Deutschland. Nun ist sie mit 88 Jahren gestorben.
Ruth Klüger (hier 2013) bereicherte den literarischen Diskurs

Ruth Klüger (hier 2013) bereicherte den literarischen Diskurs

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Michael Reichel / picture alliance / dpa

Die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Ruth Klüger, Holocaustüberlebende aus Wien, ist mit 88 Jahren in Kalifornien gestorben. Das teilte der Zsolnay Verlag am Mittwoch mit. 

Weltweite Bekanntheit erlangte Klüger mit dem Erinnerungsbuch "weiter leben", mit dem sie sich aus dem Stand in der deutschsprachigen Literatur etablierte. Zuletzt sprach sie im Januar 2016 vor dem Deutschen Bundestag zum Holocaust-Gedenktag.

Zum 71. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau schilderte sie nicht nur ihr Leid von damals, sondern verbeugte sich auch vor der damals gegenüber Flüchtlingen herrschenden deutschen Willkommenskultur. "Dieses Land, das vor 80 Jahren für die schlimmsten Verbrechen des Jahrhunderts verantwortlich war, hat heute den Beifall der Welt gewonnen dank seiner geöffneten Grenzen und der Großzügigkeit, mit der Sie syrische und andere Flüchtlinge aufgenommen haben und noch aufnehmen."

Klüger war die Tochter eines jüdischen Frauenarztes, der in Auschwitz ermordet wurde. Im Alter von zwölf Jahren wurde sie gemeinsam mit ihrer Mutter in das Konzentrationslager Theresienstadt, ein Jahr später nach Auschwitz-Birkenau und dann in das Arbeitslager Christianstadt deportiert. Bereits dort begann sie, Gedichte zu schreiben.

Emigration in die USA

Gegen Kriegsende gelang ihr auf einem der "Todesmärsche" zusammen mit der Mutter und einer Pflegeschwester die Flucht. Klüger studierte später in Regensburg, bis sie 1947 mit ihrer Mutter in die USA emigrierte, dort Bibliothekswissenschaften und Germanistik studierte und 1967 promovierte. Ihre Erinnerungen "weiter leben" erschienen 1992. Darin schildert sie die Qualen, die sie in Auschwitz erdulden musste.

Klüger bereicherte den literarischen Diskurs mit ihren Arbeiten "Von niedriger und hoher Literatur" über das entweder kitschig-verklärende oder verdeckende Bild des Holocausts in Literatur und Film. Feministische Ansätze hat sie unter dem Titel "Frauen lesen anders" veröffentlicht.

Als 2002 der Skandalroman "Tod eines Kritikers" von Martin Walser erschien und sich eine Antisemitismus-Debatte um Walser entfachte, nannte sie als jahrzehntelange Freundin Walsers das Werk ein "übles Buch". In einem offenen Brief schrieb sie, dass sie sich mit der Darstellung des Literaturkritikers als jüdisches Scheusal betroffen, gekränkt und beleidigt gefühlt habe.

Klüger erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik (1997), die Ehrendoktorwürde der Universität Göttingen (2003), den Lessing-Preis (2007) und den Theodor-Kramer-Preis (2011).

cpa/dpa
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