Schönster Romananfang gekürt Der erste Satz geht an Grass
Frankfurt/Main - Den Nobelpreis hat er schon, jetzt darf sich Günter Grass mit noch einer Auszeichnung schmücken. Nach Ansicht einer prominent besetzten Jury hat Grass den schönsten ersten Satz in der deutschsprachigen Literatur geschrieben - und der besteht aus nur drei Wörtern.
"Ilsebill salzte nach" - so lautet der knappe Einstieg in Grass' Roman "Der Butt" aus dem Jahr 1977.
Bei der Entscheidung für Grass ließ sich die Jury davon überzeugen, dass der Satz zu Beginn des "Butts" nicht nur kulinarisch Lust auf die folgenden 700 Seiten mache. Der Wiener Literaturfreund Lukas Mayrhofer hatte Grass' Romananfang vorgeschlagen.
Zu dem Wettbewerb hatten die Initiative Deutsche Sprache und die Stiftung Lesen aufgerufen, mehr als 17 000 Menschen hatten daraufhin Vorschläge eingereicht. Am Ende entschieden sechs Juroren: die Literaturkritikerin Elke Heidenreich, die Präsidentin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach, sowie die Schriftsteller Thomas Brussig und Paul Maar. Nicht ganz vom Literaturfach, aber auch mit dabei: Handball-Bundestrainer Heiner Brand sowie die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka.
Auf Platz zwei der schönsten Anfänge folgte ein Klassiker der Moderne: Franz Kafka mit "Die Verwandlung". "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt" - so beginnt Kafkas in der Form eines Tatsachenberichtes gehaltene, fantastische Erzählung über einen Mann, der als riesiges Insekt erwacht.
Platz drei ging an Siegfried Lenz für seine Erzählung "Der Leseteufel" mit dem Anfang: "Hamilkar Schaß, mein Großvater, ein Herrchen von, sagen wir mal, einundsiebzig Jahren, hatte sich gerade das Lesen beigebracht, als die Sache losging."
Der Wettbewerb fragte auch nach den Favoriten des lesenden Nachwuchses. Bei den Kindern und Jugendlichen gewann Janosch mit dem ersten Satz aus seiner Erzählung "Lari Fari Mogelzahn". Ein echter Lesebrocken im Vergleich zu Grass und der beste Beleg dafür, dass die Aufmerksamkeitsspanne von jungen Menschen größer ist, als Kulturpessimisten gerne unterstellen. Janoschs Erzählung beginnt mit 27 Worten: "In der Mottengasse elf, oben unter dem Dach hinter dem siebten Balken in dem Haus, wo der alte Eisenbahnsignalvorsteher Herr Gleisenagel wohnt, steht eine sehr geheimnisvolle Kiste."
Die international erfolgreiche Autorin Cornelia Funke musste sich mit Platz zwei bescheiden. Der Beginn ihres Bestsellers "Tintenherz": "Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen." Auf dem dritten Platz folgte Ildikó von Kürthys Romananfang in "Blaue Wunder": "Entweder mache ich mir Sorgen oder was zu essen."
Neben jeweils drei Preisen für Erwachsene und Kinder/Jugendliche wurden noch drei Sonderpreise an Schulen vergeben. Nach Angaben der Organisatoren waren in den vergangenen Monaten Vorschläge aus Deutschland und 60 anderen Staaten eingegangen.
tdo/dpa/AP