George Takei verarbeitet seine Kindheit im Internierungslager "Man muss Optimist sein!"

Als Kind erlebte "Star Trek"-Star George Takei Rassismus in den US-Internierungslagern für Japaner. Seine Erinnerungen sind Thema einer berührend hoffnungsvollen Graphic Novel. Ein Anruf in Los Angeles.
Schauspieler, "Star Trek"-Veteran, Aktivist und Optimist: George Takei (2018 in Boston)

Schauspieler, "Star Trek"-Veteran, Aktivist und Optimist: George Takei (2018 in Boston)

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Steven Senne/ AP

Man hat kaum "Wie geht es Ihnen?" gefragt, schon kommt man nicht mehr zu Wort: George Takei, 83, ist putzmunter an diesem Montagmittag in Los Angeles (Ortszeit) und schwärmt von der Restauration des Berliner Reichstagsgebäudes.

Es erinnere an die Historie, gleichzeitig werde es durch die transparente Glaskuppel des Architekten Sir Norman Foster zu einem Symbol für Demokratie: Das Volk könne den Politikern von oben buchstäblich auf die Finger gucken, meint Takei - und fällt am Telefon in einen fast staatstragend feierlichen Ton: "Wir müssen uns unserer Geschichte bewusst bleiben, auch den hässlichen Seiten, und auf dieser Grundlage eine bessere Zukunft gestalten." Das sei auch Thema seiner jetzt auf Deutsch veröffentlichten Graphic Novel "They Called Us Enemy". "Sie müssen mich bremsen", sagt der Schauspieler, Autor und Aktivist lachend über sein eigenes Sendungsbewusstsein. "Ich bin ganz schön geschwätzig".

Also der Reihe nach. Takei, ein in Los Angeles geborener Amerikaner japanischer Abstammung, war Mitte der Sechziger einer der ersten Asiaten im US-Fernsehen, der nicht als Stereotyp gecastet wurde. In Gene Roddenberrys bahnbrechender Science-Fiction-Serie "Star Trek" spielte er den Steuermann des Raumschiffs "Enterprise", Lieutenant Hikaru Sulu, an der Seite von Captain Kirk, Uhura und Spock. Die multiethnische Sternensaga machte Takei weltberühmt.

Seine Popularität nutzt er heute vor allem, um mit seinem Web-Format "Oh Myyy!"  Internet-Kuriositäten zu verbreiten und gegen US-Präsident Donald Trump zu sticheln. Auf seinen Social-Media-Kanälen folgen ihm jeweils mehrere Millionen, 2012 wurde er sogar zur einflussreichsten Persönlichkeit auf Facebook gekürt. 2005 machte er seine Homosexualität öffentlich und gehörte zusammen mit seinem Partner Brad Altman wenige Jahre später zu den ersten gleichgeschlechtlichen Paaren, die in Kalifornien verheiratet wurden.

Takei ist ein aktiver Unterstützer der LBGT+-Gemeinde, aber sein Lebensthema ist ein anderes. Als Fünfjähriger wurde er zusammen mit seinen Eltern und noch jüngeren Geschwistern in eines der Internierungslager verbracht, die nach dem Angriff der japanischen Armee auf Pearl Harbor im Dezember 1941 auf amerikanischem Boden errichtet wurden. Rund 120.000 japanischstämmige US-Bürger wurden auf Anordnung des Präsidenten Franklin D. Roosevelt aus ihren Leben gerissen und in teils menschenunwürdig eingerichtete Camps verbracht: Man hielt sie allein wegen ihres Aussehens und ihrer Abstammung für potenzielle Terroristen. Fast vier Jahre verbrachten die Takeis in Gefangenschaft. Zunächst in Rohwer, Arkansas, dann in einem noch stärker gesicherten Camp in Tule Lake, Kalifornien.

"Als wir damals eingesperrt wurden, entbehrte das jeder faktischen Grundlage, es war einfach eine dreiste Verallgemeinerung: Wir waren alle verdächtig, Spione, Verräter, fünfte Kolonnen des japanischen Kaiserreichs zu sein."

George Takei über seine Gefangenschaft im US-Internierungslager

Für den kleinen George wirkten die Lager zunächst, so beschreibt es der Comic, wie große Abenteuerspielplätze, in denen seltsame, aufregende Dinge passierten. Erst als Teenager wurden ihm Schrecken und Dimension des staatlichen Rassismus bewusst, den seine Familie erfuhr. 1995 schrieb er diese Erinnerungen in einer Autobiografie nieder, vor einigen Jahren machte er daraus auch ein Broadway-Stück. Nun soll die Graphic Novel "They Called Us Enemy" vor allem ein junges Publikum über dieses gern verdrängte Kapitel der US-Historie aufklären – und gleichzeitig das Bewusstsein für den Wert demokratischer Prozesse und Errungenschaften schärfen.

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Graphic Novel "They Called Us Enemy"

Das Buch, in Schwarz-Weiß gezeichnet von der jungen US-Künstlerin Harmony Becker, erzählt die Erlebnisse, Zumutungen und Konflikte in den Camps nach, verfolgt aber im Reportagestil auch Takeis Leben und Aufarbeitung bis in die politische Gegenwart. Gerade in den berührenden Lager-Szenarien wirkt das Buch wie eine leichtere, jugendfreundliche Version von Art Spiegelmans berühmtem Holocaust-Comic "Maus" im Manga-Stil.

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Takei, George

They Called Us Enemy: Eine Kindheit im Internierungslager

Verlag: Cross Cult
Seitenzahl: 208
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Preisabfragezeitpunkt

22.03.2023 08.33 Uhr

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Die Graphic Novel, im Herbst 2019 in den USA erschienen, stand viele Wochen auf der Bestsellerliste der "New York Times". Im Juli erscheint eine spanischsprachige Ausgabe. Gerade die Latino-Gemeinde in den USA sei zurzeit einer ähnlichen Diskriminierung ausgesetzt wie die japanischen US-Bürger vor fast 80 Jahren, meint Takei. "Als wir damals eingesperrt wurden, entbehrte das jeder faktischen Grundlage, es war einfach eine dreiste Verallgemeinerung: Wir waren alle verdächtig, Spione, Verräter, fünfte Kolonnen des japanischen Kaiserreichs zu sein", sagt er.

"Ein Wunder geschieht um uns herum"

Mit den Einwanderern und Asylbewerbern aus Mexiko und Lateinamerika, die über die Südgrenze der USA nach Amerika kommen, geschehe unter der Trump-Regierung nun dasselbe: "Sie gelten alle als Drogendealer, Vergewaltiger und Mörder, aber dafür gibt es keine Beweise, sie werden aus purem Rassismus verurteilt, weil wir eine rassistische Regierung haben". Ähnlich sei es auch den Muslimen auf der ganzen Welt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gegangen, so Takei.

Umso wichtiger sei es, ein Bewusstsein für die Verfehlungen der Historie zu schaffen. Dafür setzt sich Takei auch im hohen Alter noch mit einer Leidenschaft und positiven Energie ein, die selbst in einem kurzen Telefongespräch beeindruckt. "Mit Skepsis und Zynismus erreichen wir nichts", sagt er, "ohne Optimismus gibt es keinen Fortschritt, man muss Optimist sein, das ist essenziell!".

George Takei in historischer "Enterprise"-Kulisse (2016): "Technologie ist der Schlüssel"

George Takei in historischer "Enterprise"-Kulisse (2016): "Technologie ist der Schlüssel"

Foto: Michael Loccisano/ Getty Images

Fortschritt gebe es ja durchaus, sagt Takei, der 1988 zu einer Delegation gehörte, die eine offizielle Entschuldigung des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan für das in den Internierungslagern begangene Unrecht entgegennahm: "Wir sind nur eine kleine Minderheit in den USA, aber indem wir uns aktiv in der partizipatorischen Demokratie beteiligt haben, haben wir erreicht, dass sich diese mächtige Nation zu einem Fehler bekannt hat."

Roosevelt, der sich von Kriegshysterie und politischer Paranoia zur Schaffung der Camps habe hinreißen lassen, sei ein großartiger Präsident gewesen, sagt Takei. "Aber er war auch nur ein Mensch, und Menschen sind fehlbar. Jeder Präsident hat das Potenzial, Großes zu bewirken, aber wenn ein so mächtiger Mann einen Fehler begeht, dann ist es meistens ein sehr gravierender. Diesem Umstand fielen wir damals zum Opfer."

Dass auch der gegenwärtige US-Präsident noch Großes leisten könne, glaubt er jedoch nicht. Donald Trump werde durchaus in die Geschichte eingehen, jedoch "als schlimmster Präsident, den wir je hatten". Zurzeit "verpfusche" er den Umgang mit der Corona-Pandemie. Zu Takeis Naturell passt es, dass er gleichzeitig in der Covid-19-Krise auch eine Chance auf ein umweltfreundliches Umdenken sieht: "Ein Wunder geschieht um uns herum", sagt er mit poetischer Emphase aus seinem Haus in Hancock Park, mitten im normalerweise versmogten Los Angeles. "Die blaue Weite des Himmels war noch nie so klar und rein, unser Rasen ist grüner und dichter, sogar die Vögel scheinen glücklicher zu sein!"

Dann erzählt er begeistert von einer Cocktail-Party, die er über eine Videochat-Software mit Freunden gefeiert habe. Solche Technologie sei der Schlüssel zum Aufbau einer besseren Zivilisation, sagt er. Auf dass sich die "Star Trek"-Utopie, die er als Sulu einst mit schuf, vielleicht doch noch erfüllen möge.

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