Streit um "Der Prozess" Kafka-Manuskript bleibt in Deutschland

Keine Einigung im Fall Kafka - Das Marbacher Literaturarchiv will das Originalmanuskript von "Der Prozess" nicht an Israel abgeben: "An der Rechtmäßigkeit unserer Erwerbung kann es keinerlei Zweifel geben", sagte Archivdirektor Raulff.
Franz Kafka: posthumer Ruhm, posthumer Streit

Franz Kafka: posthumer Ruhm, posthumer Streit

Foto: A2270 epa CTK/ dpa

Marbach/Tel Aviv/Hamburg - Das Originalmanuskript von "Der Prozess" des jüdischen Schriftstellers Franz Kafka bleibt in Deutschland. Forderungen der israelischen Nationalbibliothek, die Handschrift abzugeben, wies das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Montag zurück. Das Manuskript sei 1988 bei einer Auktion in London "unter den Augen der Weltöffentlichkeit" vollkommen legal erworben worden, betonte Archivdirektor Ulrich Raulff. Der Direktor der israelischen Nationalbibliothek, Schmuel Har Noy, hatte in der vergangenen Woche die Weitergabe gefordert, um "eine andauernde historische Ungerechtigkeit" zu korrigieren.

Israel hat aus Sicht von Har Noy allein einen Rechtsanspruch auf das Manuskript. Der Anwalt der Nationalbibliothek, Meir Heller, sagte: "Das deutsche Archiv wusste, dass es ein Problem mit diesem Manuskript gibt, als es vor mehr als zwanzig Jahren dieses Manuskript erhielt, aber es hält scheinheilig an der Behauptung fest, dass es legal erworben wurde", sagte Heller. Raulff hingegen zeigte sich "irritiert" und betonte: "An der Rechtmäßigkeit der Erwerbung durch Marbach kann es keinerlei Zweifel geben." Als das Archiv das Kafka-Manuskript am 17. November 1988 im Auktionshaus Sotheby's in London erworben habe, sei kein Einspruch erfolgt. In Marbach stehe es der internationalen Forschung zur Verfügung, betonte Raulff.

Vor seinem Tod 1924 hatte Franz Kafka seinen Freund Max Brod gebeten, seine Werke zu verbrennen. Dieser brachte sie jedoch zur Veröffentlichung, und Kafka gelangte posthum zu Weltruhm. Brod musste 1939 vor den Nationalsozialisten aus Prag nach Israel fliehen. In einem Koffer hatte er die Werke von Kafka dabei. Nach Brods Tod 1968 ging der Nachlass mit vielen Kafka-Texten an seine ehemalige Sekretärin, Esther Hoffe. Hoffe verkaufte einen Teil der Texte, darunter 1988 den "Prozess" für etwa zwei Millionen Dollar. Nach Ansicht der Nationalbibliothek in Tel Aviv wurde das Originalmanuskript gegen den letzten Willen von Brod verkauft.

Nach ihrem Tod vor zwei Jahren im Alter von 101 Jahren vererbte Esther Hoffe den Brod-Nachlass an ihre Töchter Ruth und Hava, beide Holocaust-Überlebende. Die etwa 80 Jahre alten Damen können nun wegen der juristischen Kämpfe ihr gesamtes Erbe - das auch Geld in Millionenhöhe, Immobilien und Schmuck umfasst - nicht antreten. Eine von ihnen soll verarmt sein.

hpi/dpa
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