Streit um Gastland China "Tradition der Folter, Tradition der Zensur"

Die Zeit sei nicht reif, China zum Gastland zu ernennen: Zu Beginn der Frankfurter Buchmesse erneuern Menschenrechtler und Politiker ihre Vorwürfe: Die Situation für kritische Autoren sei in China nach wie vor untragbar. Doch es gibt auch positive Stimmen.
Europa-Abgeordnete Barbara Lochbihler (Grüne): Kritik an der Buchmesse-Leitung

Europa-Abgeordnete Barbara Lochbihler (Grüne): Kritik an der Buchmesse-Leitung

Foto: Alina Novopashina/ picture-alliance/ dpa

Frankfurt/Hamburg - Zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse haben Menschenrechtler den Ehrengast China erneut scharf kritisiert. "China ist nicht nur Weltmeister im Hinrichten und Foltern, sondern auch in Zensur", sagte der Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Martin Lessenthin, am Dienstag in Frankfurt. Peking versuche, auch in anderen Ländern unbequeme Stimmen zum Verstummen zu bringen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) veröffentlichte einen Report über die Verfolgung 130 kritischer Autoren in China. Dieser zeige, dass die Zeit nicht reif sei, um China zum Ehrengast der Buchmesse zu erklären, erklärte Asienreferent Ulrich Delius.

China präsentiert sich unter dem Motto "Tradition und Innovation" auf der weltgrößten Bücherschau, die am Dienstagabend von Bundeskanzler Angela Merkel und Chinas Vizepräsident Xi Jinping eröffnet wird. Im Vorfeld war es zu einem Eklat gekommen, als Teile einer chinesischen Delegation ein von der Buchmesse und dem "Organisationskomitee Ehrengast China" veranstaltetes Symposium verließen. Auf der Veranstaltung hatten zwei - vorübergehend ausgeladene - Regimekritiker ein Statement abgegeben.

Die frühere Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland und heutige Europaabgeordnete der Grünen, Barbara Lochbihler, kritisierte den Umgang der Messe mit China. Die Führung der Buchmesse habe sich nicht ausreichend erkundigt, mit welchen Dialogpartnern sie es zu tun habe, sagte Lochbihler bei Deutschlandradio Kultur. "Es gibt eine Tradition der Menschenrechtsverletzungen in China, und es gibt leider sehr wenig Innovationen, dass sie wirklich gegen diese Missstände vorgehen wollen." Zwar sei es immer richtig, das Gespräch zu suchen, sagte die Politikerin. Aber nach den schlechten Erfahrungen mit den Olympischen Spielen in Peking 2008 hätte die Messeleitung bereits im Vorfeld unbedingt auf klaren Absprachen zum Umgang mit Kritik seitens der chinesischen Regierung bestehen müssen.

Der Chef des Goethe-Instituts in Peking, Michael Kahn-Ackermann, stellte sich hingegen nachdrücklich hinter den Buchmessen- Ehrengast. "Es ist genau der richtige Zeitpunkt", sagte Kahn-Ackermann am Dienstag im China-Pavillon. "Wir befinden uns an einem Wendepunkt der deutsch-chinesischen Kulturbeziehungen." Kahn-Ackermann forderte die Kritiker auf, sich zu fragen, "ob wir reif genug sind, mit China in einen echten Dialog zu treten". Dieser Frage müsse man sich mit der gleichen Offenheit stellen, wie man das von China verlange. "China hat den Westen besser kennengelernt als der Westen China", sagte Kahn-Ackermann.

hpi/dpa/afp
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