Taschenbuch-Bestseller Düsterer Deutsch-Unterricht

Jürgen Roth ist der journalistische Quälgeist der Korrupten und Mächtigen. In seinem "Deutschland-Clan" enttarnt er wirtschaftlichen und politischen Filz - und warnt vorm moralischen Ausverkauf der Demokratie.

Willkommen in Deutschland, einer Nation, die in einem Netzwerk hochrangiger Politiker, führender Konzernchefs und toleranter Justizbehörden gefangen ist. Den Rechtsstaat aushöhlen, Gemeinsinn durch Egoismus und Gesetze durch die Macht des Kapitals ersetzen - so sieht der Publizist Jürgen Roth die hiesige politische und wirtschaftliche Praxis.

Tapfer macht er sich auch in seinem aktuellen Buch, "Der Deutschland-Clan", an die Darstellung von Gaunerkartellen, Korruptionsaffären und Verstrickungen von Ministern, Topmanagern und Staatsanwälten.

Jürgen Roth ist einer der bekanntesten investigativen Journalisten Deutschlands. Seit den siebziger Jahren ist er mit brisanten TV-Dokumentationen und Aufsehen erregenden Büchern an die Öffentlichkeit getreten. "Der Deutschland-Clan", seit fünf Wochen auf der Sachbuch-Bestsellerliste im Taschenbuch, hat sich von Rang 15 auf Platz sechs vorgearbeitet.

Der Publizist, der sich vor allem in der Schattenwelt des organisierten Verbrechens in Deutschland und Osteuropa auskennt, hat bereits "Die roten Bosse" (1999), "Schmutzige Hände" (2000) oder "Gejagt von der Polenmafia" (2005) vorgelegt.

Auch diesmal fällt seine Diagnose finster aus: Kriminelle Energie entwickeln nach Meinung Roths allzu viele von denen, die in diesem Land politische oder ökonomische Macht erlangen: Der schleichende Niedergang der demokratischen Kultur in Deutschland bedrohe den bereits stark erodierten Wohlstand des Landes. Roth verweist darauf, dass die einzigen Deutschen mit Zukunftsperspektive diejenigen seien, die Steuer- und Sozialbetrug in großem Stil pflegen.

Mecklenburg-Vorpommern wird als Ausverkaufs- und Bereicherungskolonie vorgestellt, in der Stasi-Kontakte ausreichten, um im Leben Fuß zu fassen. Heute bei der CDU zu sein, scheint sich laut Roth ebenfalls als guter Schritt zum Erfolg zu erweisen.

Der 1945 geborene Frankfurter, der nach der mittleren Reife als Speditionskaufmann tätig war, bevor er zusammen mit seiner späteren Ehefrau eine einjährige Auszeit in einem kleinen türkischen Dorf nahm, um anschließend als Publizist zu arbeiten, schwört heute auf Enthüllungsjournalismus in Buchform: "Die elektronischen Medien liefern zunehmend nur Politunterhaltung", behauptet Roth. "Formen sind gefragt, aber keine Inhalte. Komplizierte Zusammenhänge im Bereich von internationaler Kriminalität oder des Terrorismus lassen sich in diesem Medium daher nicht mehr darstellen - von Ausnahmen abgesehen."

Helge Rehbein, Buchreport


Jürgen Roth: "Der Deutschland-Clan" , Heyne, 8,95 Euro

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