Theater-Fürst Flimm "Manche Frechheiten erstaunen mich"
SPIEGEL ONLINE: Herr Flimm, Sie sind 67 und haben noch bis 2011 einen Vertrag als Chef der Salzburger Festspiele, wollen sich aber in Berlin schon ab 2010 für fünf Jahre zum Intendanten der Lindenoper machen lassen. Warum tun Sie sich das an und lassen es nicht als Opernregisseur lässiger angehen?
Flimm: Es ist doch erfreulich, wenn man gebraucht wird. Welcher Journalist würde nein sagen, wenn er in meinem Alter ist und das Angebot hat, Herausgeber einer großen Zeitung zu werden? Niemand muss mich engagieren. Dass man mich holt, weil ich den Job vielleicht kann, das ist schön.
SPIEGEL ONLINE: Salzburger Politiker, aber auch Künstlerkollegen nehmen Ihnen übel, dass Sie gesagt haben, Sie wollten in Salzburg nicht nutzlos "herumsitzen", nachdem Sie Ihre Planungen bis zum Ende Ihrer Amtszeit 2011 unter Dach und Fach gebracht haben. Verstehen Sie diese Kritik?
Flimm: Die Wortwahl war unglücklich. Dafür habe ich mich bei den Salzburger Kollegen entschuldigt! Selbstverständlich bin ich bereit, alle Produktionen, die ich jetzt angeschoben habe und anschiebe, bis 2011 zu betreuen, ohne weitere Bezahlung. Aber ich kriege einen Anfall, wenn ich sehe, wie jetzt viele meiner Kritiker auf einer silbernen Moral dahergeritten kommen, als ob ich weiß Gott für Sauereien angerichtet hätte. Was habe ich getan? Ich habe ein sehr ehrenhaftes Angebot aus Berlin bekommen und an das Salzburger Kuratorium einen Brief geschrieben, in dem ich darum bat, nach Fertigstellung meiner Planungen schon im Herbst 2010 aus dem Vertrag in Salzburg gehen zu dürfen unter Wahrnehmung aller nötigen Sitzungen und Probentermine im Jahr 2011. Das ist eine saubere Sache.
SPIEGEL ONLINE: Ist es nicht so, dass Sie in Salzburg gern länger geblieben wären und jetzt aus Enttäuschung gehen, weil man Ihnen offenbar nicht den Intendantenvertrag geben wollte, den Sie sich wünschten?
Flimm: Ich war in Salzburg seit 1987, als ich dort zum ersten Mal arbeitete, immer sehr glücklich. Aber zehn Jahre als Direktor sind genug.
SPIEGEL ONLINE: Aber dort waren offenbar nicht alle glücklich mit Ihnen. Der zeitweise von Ihnen entlassene und jetzt wieder eingesetzte Schauspielchef Thomas Oberender hat sich in einem der Öffentlichkeit zugespielten Brief bitter beklagt, dass Sie ihn als Jüngeren nicht richtig arbeiten ließen und gemobbt hätten. Sind Sie ein Patriarch, der die Jungen nicht ranlässt?
Flimm: Zu dem Konflikt mit Oberender will ich mich nicht mehr äußern, außer dass ich Ihnen versichere: Ich habe ihn nicht gemobbt. Ich habe ihm versucht zu helfen. Und auch als wir beschlossen hatten uns zu trennen, habe ich mich sehr für ihn eingesetzt. Aber eine alte Lehrerweisheit besagt: Mich interessiert nicht wer angefangen hat, mich interessiert, wer aufhört. Sehen Sie, ich habe nun wirklich immer den Theaternachwuchs gefördert. Ich will da gar nicht pathetisch werden, aber ich habe in den achtziger Jahren in Hamburg unter großen Mühen gemeinsam mit einigen Kollegen ein Regie-Institut aufgebaut, aus dem tolle junge Regisseure hervorgegangen sind wie Friederike Heller, Nicolaus Stemann und Falk Richter. Über deren Erfolg freue ich mich, wie ich mich früher über Erfolge von Kollegen wie Bondy oder Gosch an den von mir geführten Häusern gefreut habe. Ich war immer ein großzügiger Mensch.
SPIEGEL ONLINE: Hat es Sie überrascht, dass Sie seit Bekanntwerden Ihrer Umzugspläne von Salzburg nach Berlin so unter Beschuss genommen werden?
Flimm: Manche Frechheiten erstaunen mich. Es ist lächerlich, mich als finsteren Paten darzustellen, nur weil ich in Salzburg professionell meinen Job mache. Manche Journalisten wussten ja schon vor dem Eklat im Festspiel-Kuratorium wegen des Oberender-Briefes, dass da eine Bombe hochgehen würde. Sehr merkwürdig.
Das Interview führte Wolfgang Höbel