Autor und TV-Journalist Tilman Jens ist tot

Tilman Jens (2014)
Foto: imago stock&people/ imago imagesTilman Jens, ebenso gefeierter wie umstrittener Autor von TV-Dokumentationen und Sachbüchern, ist tot. Das teilte der Anwalt seiner Familie mit. Jens starb am 29. Juli im Alter von 65 Jahren.
Zu seinen kontroversen publizistischen Erfolgen gehören das Buch "Demenz: Abschied von meinem Vater" (2009) über die Erkrankung seines berühmten Vaters, dem Rhetorikprofessor Walter Jens, sowie eine Reportage über den Tod des Schriftstellers Uwe Johnson. Für diese brach Jens in das Haus des Verstorbenen ein.
Auch die Veröffentlichung des Bestsellers "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" über den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, den Jens zusammen mit Heribert Schwan 2014 veröffentlichte, war von Streit begleitet: Vor Gericht konnte Kohl durchsetzen, dass das Buch wegen nicht freigegebener Äußerungen aus Arbeitsgesprächen mit Schwan nur mit geschwärzten Seiten beziehungsweise gekürzt weiterverbreitet werden durfte.
Tilman Jens wurde 1954 in Tübingen geboren. An der Universität der schwäbischen Stadt hatte Vater Walter Jens den berühmten Lehrstuhl für Rhetorik inne. Seine Schullaufbahn führte nach dem Besuch einer Waldorfschule sowie eines humanistischen Gymnasiums auf die Odenwaldschule, wo Jens nach dem Abitur auch seinen Zivildienst ableistete. Als Reaktion auf die Aufdeckung von jahrzehntelangem systematischen sexuellen Missbrauchs von Schülern an der Odenwaldschule veröffentlichte Jens 2011 das Buch "Freiwild - die Odenwaldschule. Ein Lehrstück von Opfern und Tätern."
Nach dem Zivildienst studierte Jens Germanistik und Geschichte in Konstanz und absolvierte eine journalistische Ausbildung beim NDR sowie beim HR. Mit Kurzbeiträgen für Kultursendungen wie "NDR Bücherjournal" und "ttt - titel, thesen, temperamente" machte sich Jens einen Namen, später kamen "aspekte" und "Kulturzeit" als Auftraggeber hinzu. Als dokumentarische Langformate realisierte er über 100 Filme, darunter Porträts von Prominenten wie Kurt Masur, Oswalt Kolle oder Harald Juhnke.
"Der größte Fehler"
Seinen ersten journalistischen Skandal löste er aber als Reporter mit seinem Text über Uwe Johnson aus: Nachdem er 1984 für eine "Stern"-Reportage in das leer stehende Haus des verstorbenen Schriftstellers Uwe Johnson eingestiegen war, erntete er heftige Kritik und verlor seinen Job beim "Stern". "Das war Einbruch. Das war Diebstahl. Das war kriminell", bedauerte Jens später sein Vorgehen. "Ich wurde gefeuert, zu Recht... Ich habe einen kapitalen Fehler gemacht... den größten, vielfach bereuten, doch unzweifelhaft begangenen Fehler meines Lebens."
Mit "Unterwegs an den Ort, wo die Toten sind", das er Johnson widmete, legte Jens 1984 seine erste von zahlreichen Buchpublikationen vor. Gleichzeitig blieb er dem Fernsehen treu und erregte 1994 Aufsehen mit einem Beitrag im "Kulturweltspiegel" über den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, in dem Jens dessen zeitweilige Tätigkeit für den polnischen Geheimdienst in der Nachkriegszeit offenlegte. An den Skandal, den er 2009 mit der Bekanntmachung der Demenzerkrankung seines Vaters auslöste, kamen die vorherigen Kontroversen jedoch nicht heran (Lesen Sie hier einen Nachruf von Tilman Jens auf seinen Vater Walter Jens aus dem SPIEGEL von 2013).
Erst in einem Artikel in der "FAZ" , dann ausführlicher in dem Buch "Demenz: Abschied von meinem Vater", schilderte Jens ohne Einwilligung seiner Eltern detailliert den geistigen Verfall seines wortmächtigen Vaters. Er denunziere den wehrlosen Kranken, warf ihm die "Zeit" vor und fragte: "Warum schützt niemand den Vater vor seinem Sohn?". Gegen die Kritik wehrte sich Jens mit einem weiteren Buch: "Vatermord: Wider einen Generalverdacht" erschien ein Jahr später. Als letztes Buch veröffentlichte Jens zu Lebzeiten eine Biografie des Trump-Strategen Stephen Bannon.