Krimi in der Verlagsbranche FBI fasst Verdächtigen in Buchmanuskript-Diebstahlserie

Rooney Mara in der Stieg-Larsson-Verfilmung »Verblendung«: Auch das Manuskript eines Romans aus der »Millennium«-Reihe versuchte der Täter zu ergattern
Foto: LMK Media / ddp imagesDie US-Strafverfolgungsbehörden sind überzeugt, einen Kriminalfall gelöst zu haben, der die Verlagsindustrie über Jahre hinweg nervös gemacht hat. Am Mittwoch wurde ein Mann festgenommen, dem eine Vielzahl von betrügerischen Taten im Literaturbereich vorgeworfen wird: Er soll die Identität verschiedener Persönlichkeiten aus der Buchbranche vorgetäuscht haben, um eine veritable Bibliothek der unveröffentlichten Manuskripte anzuhäufen.
Filippo Bernardini, ein italienischer Staatsbürger, der in London im Verlagswesen arbeitet, wurde am Mittwoch nach der Landung am New Yorker John F. Kennedy International Airport festgenommen. Dies teilte der zuständige Staatsanwalt des New Yorker Bezirks in einem Statement mit.
Demnach muss sich der 29-jährige Bernardini Vorwürfen des Computerbetrugs und des schweren Identitätsdiebstahls stellen. Er soll am Donnerstag einem Bundesgericht vorgeführt werden.
Jahrelang hatte jemand zuvor mit einer international angelegten Phishing-Masche das Verlagswesen in Verwirrung gestürzt: Eine Person, die offenkundig Insiderkenntnisse aus der Branche hatte, gab sich als Literaturagent oder Verlagsmitarbeiterin aus – mithilfe von Fake-E-Mail-Accounts, in denen zum Beispiel ein »m« durch ein »rn« ersetzt wurde, wodurch sie leicht mit echten Adressen zu verwechseln waren.
Schwergewichte und Debütromane
In den Mails versuchte die Person Autorinnen oder Verleger dazu zu bringen, ihr Zugang zu unveröffentlichten Manuskripten zu verschaffen. Unter den Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die auf diese Weise ins Visier genommen wurden, zählten Schwergewichte der Branche wie Margaret Atwood oder Ian McEwan, Prominente wie Ethan Hawke, mit Literaturpreisen ausgezeichnete wie Louise Erdrich oder Anthony Doerr.
Auch einen Roman aus der »Millennium«-Thrillerserie, die nach dem Tod ihres Schöpfers Stieg Larsson in Schweden weitergeführt wurde, versuchte sich die Person zu beschaffen. Allerdings waren unter den Büchern, auf die sie es abgesehen hatte, auch Werke von Debütanten oder nur Literaturinsidern bekannten Autorinnen und Autoren.
Diese Titelauswahl machte die andauernden Betrugsversuche umso mysteriöser. Denn offenbar ging es nicht darum, die Manuskripte illegal zu verkaufen oder sie öffentlich zu machen. Recherchen von »New York Times « und »New York Magazine « ergaben jedenfalls keine Hinweise darauf.
In dem Statement des New Yorker Staatsanwalts heißt es, Bernardini habe sich offenbar als Persönlichkeiten der Verlagsbranche ausgegeben, damit ihm Autorinnen und Autoren Manuskripte »zu seinem eigenen Nutzen« zukommen lassen. Worin dieser Nutzen genau besteht, bleibt dabei vorerst offen. Hauptsächlich gewann der Täter einen Informationsvorsprung – doch wozu dieser genutzt wurde, bleibt offen. Oder spielten persönliche Motive eine Rolle? Aber welche?
Verlagsmitteilung
Für den Staatsanwalt ist »diese Geschichte aus dem wirklichen Leben« nun »als abschreckendes Beispiel« zu lesen, denn es habe »eine Handlungswendung gegeben«: Bernardini drohe nun eine Strafanzeige wegen seiner Missetaten.
In der Anklageschrift heißt es, die Vergehen hätten mindestens zwischen dem August 2016 und dem Juli des vergangenen Jahres stattgefunden. Über die Jahre habe Bernardini Hunderte von Werken angesammelt. Bernardini arbeite in London für ein großes, internationales Verlagshaus mit Hauptsitz in den USA, hieß es weiter in dem Text.
Auf dem Profil eines gewissen »Filippo B.« beim sozialen Netzwerk LinkedIn fand sich die Angabe, dass er für den Verlag Simon & Schuster arbeite. In einer Mitteilung ließ sich das Verlagshaus mit den Worten zitieren, man sei »schockiert und erschrocken über die Vorwürfe gegen einen Angestellten von Simon & Schuster UK«. Bernardini sei für die Dauer der Untersuchungen zunächst freigestellt. »Die Sicherung des geistigen Eigentums unserer Autorinnen und Autoren ist von höchster Bedeutung für Simon & Schuster«, heißt es weiter; man sei dankbar, dass das FBI in dem Fall ermittle.