Vorgelesen Die wichtigsten Bücher der Woche

Wer Geister sieht, hat womöglich eine gespenstische Vergangenheit - wie die Helden in Jodi Picoults neuem Krimi. Nostalgisch geht es dafür in Perry Andersons Erinnerungsbuch zu. Und Peter Robinson macht Jagd auf einen Serienkiller.
Sieht nach Geistern aus - wir sind ja auch im Horrorfilm "The Sixth Sense"

Sieht nach Geistern aus - wir sind ja auch im Horrorfilm "The Sixth Sense"

Foto: ddp images

Jodi Picoult: "Zeit der Gespenster"

Ein Mädchen, das tote Leute sieht. Ein Mann, der nach dem Tod seiner Verlobten als Geisterjäger Kontakt zum Jenseits sucht. Ein Bauprojekt, das die Ruhe eines alten Indianerfriedhofs stört. Und ein Haus, das verrückt spielt. Man kennt das aus Romanen und aus Filmen wie "Poltergeist" und "The Sixth Sense", doch eine gelungene Inszenierung macht eine Zeit der Gespenster immer wieder zum Erlebnis.

Schließlich geht es nicht nur darum, ob Geistererscheinungen glaubhaft dargestellt werden, sondern um die Reaktionen der Helden darauf. Die 1967 auf Long Island geborene Jodi Picoult verbindet ihre phantastische Handlung mit dem Thema Eugenik und den Anfang des letzten Jahrhunderts vorgenommenen Zwangssterilisierungen, einem dunklen Kapitel der US-amerikanischen Geschichte, das von nationalsozialistischen Rassehygienikern als Inspirationsquelle betrachtet wurde.

Was hier spukt, sind die Gespenster einer unbewältigten Vergangenheit. Man muss sich ihr stellen, um deren Geister auszutreiben, lautet die spannend verpackte Botschaft. Auch an Humor fehlt es nicht. Etwa wenn die Opfer von Poltergeistphänomen nach rationalen Erklärungen suchen: "Manche machten die globale Erwärmung für die Ereignisse verantwortlich, andere hielten es schlicht für persönliches Pech." Ulrich Baron

Perry Anderson: "Eine verspätete Begegnung. Geschichte meines Vaters in China 1914-1941"

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist auch die abwesender Väter: "Mein Vater hatte sein Leben weit weg von Irland verbracht, wo er starb und wo wir aufwuchsen, in einem China, das nach seinem Tod nicht mehr existierte", schreibt der Historiker Perry Anderson,

Anderson war acht, als sein Vater 1941 starb, erst ein halbes Jahrhundert später fand sein Bruder heraus, dass die Unterlagen des Zolldienstes, in dem er als Inspektor gearbeitet hatte, in einem Archiv in Nanking aufbewahrt wurden. Während einer Konferenz sprach Anderson dort vor und wurde fündig; später rundeten Briefe und Dokumente aus einem Koffer auf dem Dachboden eines irischen Hauses die Geschichte ab.

Anderson hat das Leben eines Mannes rekonstruiert, der über zweieinhalb Jahrzehnte lang in einer exponierten Position inmitten eines in Blut und Chaos verfallenden Reiches lebte.

Der Stil seines kurzen biographischen Essays ist brillant und vermittelt eine Ahnung von Noblesse, wenn er den Brief eines chinesischen Kollegen an seinen Vater zitiert, der erst nach dessen Tod eingegangen war: "Wenn die Menschen, und besonders die Herrschenden, verstehen, was Freundschaft ist und, wie Sie, das Wohlergehen anderer nicht vergessen, so wäre ein dauerhafter Frieden kein Traum." Ulrich Baron

Peter Robinson: "Wenn die Dämmerung naht"

Dass nicht nur Stephen King die Alan-Banks-Romane von Peter Robinson zur besten aktuellen Thriller-Serie auf dem Markt zählt, hat gute Gründe. Robinson konfrontiert seinen Inspektor Banks und dessen Kollegen immer wieder mit Fällen, die in die Vergangenheit zurückgreifen und baut seine fiktive Stadt Eastvale immer weiter aus. So greift der jüngst übersetzte Roman einen zurückliegenden Fall auf - den des Serienmörders Terence Payne und seiner Frau Lucy, der "Freundin des Teufels" aus "Wenn die Dunkelheit fällt".

Doch zunächst ahnt das niemand. Während Banks im Labyrinth der Altstadt von Eastvale vor der Leiche eines ermordeten Partygirls steht, schleppt sich seine Kollegin Annie Cabbot verkatert aus dem Bett einer Zufallsbekanntschaft zu einem Tatort an der Küste. Das Opfer dort scheint eine hilflose alte Frau im Rollstuhl gewesen zu sein, der man die Kehle durchgeschnitten hat.

Aber nicht nur dieser Fall ist nicht das, als was er zunächst erscheint. Peter Robinson inszeniert einen wahrhaft labyrinthischen Fall, in dem Opfer zu Tätern und Täter ebenso zu Opfer werden. Ulrich Baron

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