Willemsen-Buch "Fressen, Ficken, Fernsehen"

Ausländer erklären, was deutsch ist: Der langatmige Moderator Roger Willemsen veröffentlicht Deutschland-Gespräche mit Prominenten wie Vivienne Westwood, Hildegard Knef und George Tabori.
Von Harriet Dreier

Von jeher war die Welt zu böse, zu geistlos, zu ungebildet für ihn, den Intellektuellen unter den deutschen TV-Moderatoren. Trotz seiner großen Beliebtheit bei schwärmerischen Hausfrauen und älteren Damen aus dem Lesezirkel fiel Roger Willemsens Talkshow "Willemsens Woche" im Juni 1998 dem Diktat der Quote zum Opfer, und nach einigen wenigen Auftritten als Moderator verließ er auch das ZDF-Kulturmagazin "Aspekte". Doch das rhetorische Dauertalent lässt sich nicht zum Verstummen bringen.

Bei der Präsentation seines Interviewbandes "Die Deutschen sind immer die anderen - Künstler sehen Deutschland" in der Galerie von Beate Wedekind in Mitte, zeigte sich der 45-Jährige erneut als beredter Schnellsprecher. "Das Buch zeigt die Kritik und das Wohlwollen an Deutschland. Wir haben 55 Ausländer, die in Deutschland arbeiten, und Deutsche, die es ins Ausland zieht, interviewt und die Videoaufnahmen zu dem Projekt 'Welcome home' auf der Expo im Kulturpavillon gezeigt. Zu betrachten war, was Künstler an diesem Land entdecken. So fand ein Brückenschlag der Exilanten und Dissidenten statt", erklärte Willemsen seine Idee.

Nun ist das Projekt in Buchform erschienen und präsentiert Willemsen im hypersensiblen Gespräch mit herausragenden Persönlichkeiten des Kulturlebens von George Tabori über Wim Wenders und Ute Lemper bis zu Herbie Hancock oder Monserrat Caballé. Tatkräftige Unterstützung für sein Buch erhielt Willemsen auch von der Sängerin Jocelyn B. Smith und dem Schauspieler Tayfun Bademsoy, die zur Präsentation anwesend waren. Die Ausstellungswände der Galerie schmückte parallel zur Buchvorstellung eine Portraitreihe der Interviewpartner. Schwarz-Weiß-Fotos von Detlev Schneider - darunter übrigens auch ein Bild von Willemsen selbst mit der Unterschrift "Moderator, Autor, Filmproduzent". Der Rekord-Interviewer über sich selbst: "Ich komme aus einer links-adornistischen Vergangenheit, in der man das Land verachtet. Da muss man sich von Ausländern erklären lassen, was gut ist an Deutschland."

Auf 145 Seiten schwärmt die Modedesignerin Vivienne Westwood nun also von "wundervollen" Dirndln und der Crossover-Künstler Flatz erklärt, dass für ihn Deutschland "Fressen, Ficken, Fernsehen" repräsentiert, während sich Ute Lemper erleichtert zeigt, dass Deutschland nicht mehr Kohl ist. Amüsant ist es, wenn die Audio-Art-Künstlerin Grace Yoon erklärt, die Bayern mit ihrem Gamsbart seien für sie die Indianer Deutschlands. Spaß macht es auch zu lesen, weshalb die Regisseurin Miriam Pucitta, das "Musikantenstadl" liebt: Die Deutschen hätten dann nämlich endlich mal keine Angst vorm Kitsch. Applaus für das Buch gab's von den Ausstellungsbesuchern, darunter die schöne äthiopische Ex-Freundin des Moderators, Schaupielerin Dennenesch Zoudé, Monika Hansen und Michel Friedmann. Doch bei allem Beifall - Willemsens Buch ist trotz aller Ambitionen nur ein Coffee-Table-Book - zum Zustauben verurteilt.

Roger Willemsen: "Die Deutschen sind immer die anderen. Künstler sehen Deutschland". Henschel Verlag, Berlin 2001; 144 Seiten, 49,90 Mark

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