
Neuer Bond von William Boyd: Der Salat, den er liebte
Neuer James-Bond-Roman "Solo" Agent Normalnull-Sieben
James Bond ist eine der großen fiktiven Figuren des 20. Jahrhunderts. Ein Bild des weißen Mannes, wie der sich auf dem Zenit seiner weltweiten Vorherrschaft gern gesehen hätte: Körperlich robust, technisch geschickt, begehrt vom anderen Geschlecht. Wer sich, wie William Boyd 2013 darauf einlässt, einen neuen James-Bond-Roman zu veröffentlichen, hat die Wahl, diesen Mythos entweder zu bedienen oder zu dekonstruieren. Boyd hat sich für beides entschieden - oder, um einen nicht ganz unbekannten Satz aufzugreifen: Sein Bond ist geschüttelt und gerührt.
Die Geschichte von "Solo" spielt im Jahr 1969, dem Jahr als in der Realität "Im Geheimdienst ihrer Majestät" ins Kino kam: ein untypischer, auch des Hauptdarstellers George Lazenby wegen anfangs wenig populärer Bond-Film, der aufgrund seiner grandiosen Ästhetik aber längst zu den herausragenden der Reihe zählt.
Boyds Agent 007 hat eine entscheidende Ähnlichkeit mit dieser Verfilmung, in der Bond das einzige Mal heiratete: Anders als der raubeinige Connery-Bond oder der unnahbare Ironiker, wie Roger Moore ihn spielte, ist er in der Lage Gefühle für Frauen zu empfinden, die über den Wunsch, sie zu begatten, hinausgehen. Boyd zeigt selbstbewusste Frauenfiguren, keine bloßen Bond-Girls.
Rezept für Salatsauce
William Boyd ist nicht der erste Schriftsteller, der sich in der Nachfolge des Bond-Erfinders Ian Fleming an einem 007-Abenteuer versucht. Aber der bekannteste - und zudem von den Erben Ian Flemings autorisiert: "Solo" ist die offizielle Fortsetzung der Geschichten Flemings, dabei bemüht Boyd sich, wie er in der Vorbemerkung schreibt, um Korrektheit. Sein Bond ist, wie von Fleming festgelegt, 1924 geboren worden.
Boyd, über den die "FAZ" schrieb, er sei "vom Namen zur Marke geworden" lässt seine Romane, zuletzt "Eine große Zeit", eine Geheimdienstgeschichte um einen Weltkriegsagenten mit Orgasmusproblem, gern vor der stimmungsvollen Kulisse des Britischen Empire spielen. Das hat ihm den Ruf eingebracht, der moderne Graham Greene zu sein - ein Vergleich, der ein wenig zu schmeichelhaft ist. Zu den großen, abgründigen Romanen Greenes verhält sich William Boyd in etwa wie Pippa Middleton zu Lady Macbeth.

Die James-Bond-Filmplakate: 007 als Posterboy
Im Roman "Solo" schickt sein Chef M den Agenten in den westafrikanischen Staat Zanzarim, ein Land, das Boyd sich ausgedacht hat, dessen Fall aber manche Ähnlichkeit zur Biafra-Krise der späten sechziger Jahre aufweist. Hier bekommt es Bond mit einer geheimnisvollen Schönheit und einem grobschlächtigen Söldner zu tun. Kein klassischer Bond-Bösewicht, der doch zumindest in der Lage sein müsste, die Welt zu vernichten, sondern ein simpler Schurke. Es geht um Bodenschätze und Schmuggelware. Eine schmutzige kleine Geschichte, die erst nach zwei Dritteln des Buchs richtig Fahrt aufnimmt. Dann beginnt die titelgebende Solomission des Geheimagenten: Auf eigene Verantwortung will er sich an denjenigen rächen, die ihn in Westafrika töten wollten.
Offenbar hat auch William Boyd "Skyfall" gesehen, den jüngsten Bond-Film mit Daniel Craig, in dem der Agent gerade deshalb groß wirkte, weil der Regisseur Sam Mendes auf all das Aufgeblasene verzichtete, das die Filme mit dem vorigen Darsteller Pierce Brosnan so sehr wie Varieté-Nummern hatte wirken lassen.
Wie "Skyfall" erzählt "Solo" eine gerade, persönliche Geschichte. Anders als in "Skyfall" aber ist 007 in "Solo" derart auf Normalnull geschrumpft, dass er schon fast beim Bundesnachrichtendienst arbeiten könnte: Er benutzt die U-Bahn, gibt sich am Telefon als Kaufhausbesitzer aus, stiehlt gar einer Geliebten den Reisepass. Banalitäten des Agentenlebens, die im Roman nur dann Wirkung hätten zeigen können, wenn Boyd sich darauf konzentriert hätte, ein ganz neues Bild von James Bond zu entwerfen.
Das aber hat der Schriftsteller dann doch nicht gewagt. So ist "Solo" ein hybride Mischung aus bewusst altmodischer Agentengeschichte und psychologischem Roman (immer wieder thematisiert Boyd Bonds Weltkriegseinsatz in der Normandie). Als Agententhriller bleibt "Solo" weit hinter den Klassikern des Genres zurück, für ein tiefergehendes Porträt Bonds ist das Buch zu trivial.
Zum Übermann des 20. Jahrhunderts hätte es Boyds Bond nie gebracht. Der prägende Eindruck, den dieses Buch hinterlässt, ist ein Rezept. Boyd hat es bis ins Kleinste aufgeschrieben: Nicht für Wodka Martini, sondern für eine Salatsauce - mit Olivenöl extra nativ.