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"Wo die wilden Kerle wohnen": Kinderbuchautor Maurice Sendak ist tot

Foto: Mary Altaffer/ AP

Kinderbuchautor Maurice Sendak tot Wenn die wilden Kerle weinen

Seine Figuren waren zum Fürchten - doch gerade deshalb finden sich Kinder bis heute in Büchern wie "Wo die wilden Kerle wohnen" wieder. Maurice Sendak, einer der größten Kinderbuchautoren des 20. Jahrhunderts, ist am Dienstag in Connecticut gestorben. Er wurde 83 Jahre alt.

Maurice Sendak spottete gelegentlich über die Briefe, die aus Schulklassen an ihn, den Autor des Kinderbuchklassikers "Wo die wilden Kerle wohnen", geschickt wurden. Zu sehr sei ihnen anzumerken, dass sie im Auftrag Erwachsener entstanden seien. Doch einen Brief zeigte er immer wieder gerne vor. "Wie teuer ist die Reise dahin, wo die wilden Kerle wohnen?", hatte da ein Achtjähriger geschrieben: "Wenn es nicht zu teuer ist, wollen meine Schwester und ich dort den Sommer verbringen."

Max, der Junge aus Sendaks Buch, war unartig und wird ohne Abendessen ins Bett geschickt. Daraufhin träumt er sich in die Welt der wilden Kerle, scharfzähniger, großäugiger Monster, die er zähmt, indem er sie anstarrt, "ohne ein einziges Mal zu zwinkern". Dann tanzen und raufen sie wild herum, bevor Max in sein Kinderzimmer zurückkehrt, wo das Nachtessen steht - "und es war noch warm".

Zu brutal für Kinder?

Nichts ist niedlich an diesem Kinderbuchklassiker. "Kinder sind viel emanzipierter, vorurteilsfreier als Erwachsene, zumindest bis zu ihrem achten Lebensjahr, danach ist jeder korrumpiert", sagte Sendak einmal, dessen Geschichten die Ängste und Alpträume der Kinder ernst nahmen. Als "Wo die wilden Kerle wohnen" 1963 erschien, verrissen zahlreiche Kritiker, darunter auch der Kinderpsychologe Bruno Bettelheim ("Kinder brauchen Märchen"), das Buch zunächst als zu brutal für Kinder. Doch seit langem schon wird es auch erfolgreich bei der Therapie verhaltensgestörter Kinder eingesetzt.

Maurice Sendak wurde 1928 in New York geboren und wuchs als Sohn jüdischer Immigranten in Brooklyn auf. Seine europäische Familie war in deutschen Konzentrationslagern ermordet worden. Die Erzählungen der Eltern und Verwandten über die Zeit in Polen und andere Kindheitserlebnisse weckten seine Phantasie. Vorbild für die "wilden Kerle" seien seine Onkel und Tanten gewesen, hatte er einmal verraten, die sich mit ihren großen Köpfen über das Bett des kränkelnden Jungen beugten.

Als Schaufenstergestalter bei der berühmten New Yorker Spielzeug-Firma F.A.O. Schwartz lernte Sendak 1951 eine Verlagslektorin kennen, die ihm die ersten Illustrationsaufträge verschaffte. Sein Erstlingswerk "Kenny's Window" erschien 1956. Als Vorbilder für seinen zeichnerischen Stil nannte Sendak unter anderem William Blake, Wilhelm Busch und den "Struwwelpeter"-Autor Heinrich Hoffmann.

"Picasso der Kinder"

Für "Wo die wilden Kerle wohnen" erhielt Sendak mehrere Preise, darunter die Caldecott Medal, den bedeutendsten Kinderbuchpreis der USA. Für sein Gesamtwerk bekam er die National Medal of Arts, diese wichtigste Kulturauszeichnung des US-Kongresses wurde ihm 1996 von Präsident Bill Clinton überreicht. Das "Time"-Magazin nannte ihn einmal den "Picasso der Kinder".

Zu seinen Werken zählen die Kinderbücher "In der Nachtküche" und "Als Papa fort war". Ende 2003 veröffentlichte Sendak zusammen mit dem amerikanischen Dramatiker und Pulitzer-Preisträger Tony Kushner das Bilderbuch "Brundibar", das die gleichnamige Kinderoper umsetzt, die von Hans Krása und Adolf Hoffmeister unter den Nationalsozialisten komponiert und im Ghetto Theresienstadt 1943 und 1944 von Kindern aufgeführt wurde, die später größtenteils umkamen. Sein erstes Pop-up-Buch stellte Sendak 2007 mit "Mommy?" vor, das von einem Jungen erzählt, der seine Mutter in einem mit Monstern gefüllten Haus sucht.

Doch sein berühmtestes Buch blieb "Wo die wilden Kerle wohnen". 2009 wurde es von Spike Jonze verfilmt. Sendak hatte nie ein Problem damit, als Kinderbuchautor bezeichnet zu werden: "Ich schreibe Bücher, die eher für Kinder sind, und das ist in Ordnung", sagte er 2003 der Nachrichtenagentur AP. "Sie sind das bessere Publikum und die härteren Kritiker. Kinder sagen, was sie denken, und nicht, was sie glauben, was sie denken sollen."

Maurice Sendak arbeitete in einem mit Micky-Maus-Figuren und klassischer Musik gefüllten Haus in Connecticut. Dem Magazin "Vanity Fair" erzählte er 2008, dass er als Kind immer heterosexuell sein wollte, "damit meine Eltern glücklich sind. Sie haben es nie, niemals erfahren". Sendaks langjähriger Lebensgefährte, der Kinderpsychiater Eugene Glynn, starb nach Informationen der "New York Times" 2007.

Maurice Bernard Sendak ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Seine langjährige Freundin Lynn Caponera erklärte, Sendak sei am Dienstagmorgen in Danbury (Connecticut) gestorben. Er habe am Freitag einen Schlaganfall erlitten und das Bewusstsein nicht wiedererlangt.

Mit Material von AP und dpa.
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