
Wodehouse-Edition Die Tücken des Müßiggangs
Der Brite Hugh Laurie, Millionen Menschen als finster gelaunter "Dr. House" bekannt, behauptet zu recht, dass P. G. Wodehouse "immer noch der komischste Schriftsteller ist, der je Worte zu Papier brachte". Auch der junge deutsche Bestseller-Autor ist ein glühender Verehrer: "Wodehouse nicht zu lesen, das ist so, als würde man niemals Schokolade essen. Es ist, als hätte man den Entschluss gefasst, ohne einen Tropfen Alkohol durchs Leben zu wandeln, oder als wollte man seine Freizeit ausschließlich mit dem Reinigen technischer Haushaltsgeräte verbringen - kurz, es ist ein so fundamentaler Verzicht auf eine der reichsten Quellen von Glück, dass ich jemanden, der so etwas tut, nicht ohne Bedauern betrachten kann."
Das klingt natürlich dick aufgetragen, ist aber die reine Wahrheit. Für den erstklassigen Ruf des sagenumwobenen britischen Humors war Sir Pelham Grenville Wodehouse mindestens so wichtig und prägend wie die Gang von Monty Python. Dabei setzte der 1975 verstorbene Schriftsteller mit seinen Romanen und vor allem Kurzgeschichten in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts Maßstäbe. In Großbritannien gilt Wodehouse selbstverständlich längst als Klassiker, wird von nachgewachsenen Kollegen wie , Neil Gaiman, Terry Pratchett oder verehrt. Ja, die Liste seiner Fans reicht von Bertolt Brecht bis Tony Blair.
Seit einiger Zeit gibt es nun die überfällige Neuauflage seiner Werke in deutscher Sprache. Bei "Edition Época" erscheinen sie in regelmäßigen Abständen, bildschön gebunden, so aufgemacht, dass sie auch vor hundert Jahren gut ausgesehen hätten und deshalb ein geradezu ideales Weihnachtsgeschenk. Der neueste Band "Mulliner schenkt ein" ist sogar die erste deutsche Ausgabe des 1929 erstveröffentlichten Buches und präsentiert Wodehouse in Top-Form. Also mit Kurzgeschichten, die ihm mehr lagen als Romane und voll sind mit skurrilen Existenzen.
Adlige, die sich Schweine als Haustiere halten
Auch Mr. Muliner ist eine typische Wodehouse-Schöpfung, ein Kauz, der in einem Pub namens "Angler's Rest" die Gäste mit wüsten Schwänken unterhält. Wobei es nie richtig wild bei Wodehouse zur Sache geht. Im Gegenteil, er zauberte eine entschleunigte Welt der britischen Upper Class, bevölkert mit merkwürdigen Adligen, die mit dem lästigen Allerlei des Alltags heillos überfordert sind. Verschüchterte Lords und Earls, die sich dominanten Großtanten auf idyllischen Landsitzen widersetzen müssen, die gern mal zu viel Whisky inhalieren, sich Schweine als Haustiere halten, unvorteilhaften Eheversprechen ausweichen müssen und überhaupt die widrigen Angelegenheiten im Leben lieber ihrem Butler überlassen.
Ein gewitzter, neunmalkluger Butler namens Jeeves ist auch der berühmteste aller Wodehouse-Helden. Dieser Jeeves geleitet einen lebensuntüchtigen Adligen namens Bertie Wooster durch die Tücken des täglichen Müßiggangs. Genial verfilmt wurde das von der BBC als TV-Serie mit Stephen Fry als Jeeves und Hugh Laurie als Wooster. Wodehouse' Genie bestand darin, seine auf den ersten Blick betulichen Plots einzigartig lustig aufzuschreiben. So schuf er eine Art Porträt der britischen Oberschicht, das für viele ihr England-Bild prägte, manchen seiner Landsleute aber auch zu klischeehaft war. Als Wodehouse Ende der sechziger Jahre von der Regierung geehrt werden sollte, protestierte der englische Botschafter in Washington aufs schärfste: "Damit würde doch nur das klischeehafte England-Bild bestätigt, das wir mit großer Mühe auszulöschen versuchen."
Der Autor selber, der ja mit seinen über-englischen Geschichten weltberühmt wurde, zog es übrigens vor, den Großteil seines Lebens in den USA und Frankreich zu verbringen. Der Sohn aus besserer englischer Familie mit zu wenig Geld entkam einem Bankjob durch frühe Erfolge als Literat und Journalist. Neben Kurzgeschichten und Romanen verfasste er auch Liedtexte für Musicals und arbeitete mit Cole Porter und Jerome Kern. Kritikern, die ihm später vorhielten, nie etwas Ernsthaftes, Tiefsinniges geschrieben zu haben, antwortete er in seinen Memoiren: "Nicht, dass ich für die Menschheit eine bestimmte Botschaft in petto gehabt hätte. Ich schufte zwar bis heute unbeirrt vor mich hin, doch bislang ist nie auch nur der Schatten einer Botschaft aufgetaucht, und allmählich sieht es so aus, als werde die Menschheit, falls ich nicht in meinem neunten Lebensjahrzehnt zu unerwarteter Hochform auflaufe, eine Botschaft zu wenig auf dem Konto haben."
Danke!
P.G. Wodehouse: "Mulliner schenkt ein". (Nähere Angaben s. Kasten links oben).