BDS-nahe Autorin Zentralrat der Juden hält Nobelpreisauszeichnung für Annie Ernaux für »verstörend«

Die französische Schriftstellerin Annie Ernaux spricht sich für Boykotte gegen Israel aus. Zentralrats-Präsident Josef Schuster hält die Auszeichnung der Autorin mit dem Literaturnobelpreis für ein fatales Signal.
Annie Ernaux: Umstrittene Nobelpreisträgerin

Annie Ernaux: Umstrittene Nobelpreisträgerin

Foto: Michel Euler / picture alliance/dpa/AP

Die Vergabe des Literaturnobelpreises an Annie Ernaux löst wegen ihrer politischen Haltung bei jüdischen Organisationen in Deutschland Irritationen aus. »Die Auszeichnung von Annie Ernaux mit dem Literaturnobelpreis ist ein Rückschlag für den weltweiten Kampf gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit«, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Das literarische Werk der Französin könne und wolle er nicht beurteilen, aber die Auszeichnung gehe in ihrer Wirkung weit über die Fachwelt hinaus.

Ernaux wird eine Nähe zur BDS-Bewegung vorgeworfen. BDS steht für »Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen«. Dies richtet sich unter anderem gegen Waren aus Israel sowie die Zusammenarbeit in Kultur und Wissenschaft. Kurz nach der Bekanntgabe des Nobelkomitees am vergangenen Donnerstag waren in der israelischen Presse Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Autorin laut geworden. Die 82-Jährige selbst bezog dazu keine Stellung.

Ernaux hat unter anderem 2018 zusammen mit 80 Kultur- und Kunstschaffenden, darunter der vor Kurzem gestorbene Filmemacher Jean-Luc Godard, zum Boykott der Kultursaison »Frankreich-Israel« aufgerufen und 2019 zum Boykott des Eurovision Song Contest in Tel Aviv.

»Annie Ernaux' überzeugte Unterstützung der BDS-Bewegung, ihre öffentliche Dämonisierung Israels als ›Apartheidstaat‹ oder ihre Forderung der Freilassung eines libanesischen Terroristen und Mörders sind keine Ausrutscher einer politisch unbedachten Schriftstellerin, sondern Ausweis einer klar antisemitischen Haltung«, sagte Schuster. »Das Signal, das von diesem Nobelpreis ausgeht, ist für Jüdinnen und Juden auch in Deutschland gerade nach der skandalösen documenta äußerst verstörend.«

Der geschäftsführende Vizepräsident des Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sagte: »Es ist mehr als schade, wenn sich eine große Schriftstellerin in der gehässigen und einseitigen Welt des Israel-Hasses und des damit einhergehenden Antisemitismus verliert und so ihr literarisches Werk konterkariert. Sie wird bei ihrer Nobelpreis-Rede Gelegenheit haben, sich hierzu zu erklären und die Grenzen ihrer Vorurteile zu überschreiten. Das ist sie ihren Leserinnen und Lesern, nicht nur in Israel, schuldig.«

Derweil ist in Deutschland erstmals Ernaux' Buch »Das andere Mädchen« erschienen. Es war allerdings bereits wenige Stunden nach Bekanntgabe der Schwedischen Akademie vergriffen, wie der Suhrkamp Verlag mitteilt. Die Nachauflage werde den Handel Anfang November erreichen.

kae/dpa

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