NATURSCHUTZ Lokis Land
Der Adlerfarn ist ihr immer auch ein »Spreizklimmer«, der Rotschenkel ruft »djüü-djü-djü«, und wenn es aus dem Firmament mal meckert, dann erkennt Hannelore, genannt Loki, Schmidt auf Anhieb: Da tönt die Bekassine, »volkstümlich auch Himmels-Ziege genannt«.
Meist pingelig, oft innerlich, immer aber mit solidem botanischen Grundwissen -- so schildert die Kanzlergattin Loki Schmidt ihre Wanderungen und Spaziergänge durch die Natur- und Landschaftsschutzgebiete der Republik, eines in jedem Bundesland inklusive Berlin.
In der »Wunderwelt der alten Baumriesen« des hessischen Reinhardswaldes hat sie das Gefühl, »weit weg vom Alltag« zu sein, und im Schwarzwald schaut ihr der Titisee entgegen »wie ein blaues Auge«, kein schöner Land in dieser Zeit.
Allein im Saarland entdeckt sie 28 Orchideenarten, bei Bremen verschlägt es ihr die Sprache angesichts von vier »Kampfläufern mit dicken Halskrausen«, und aus tiefsinnigen Gedanken angesichts eines überwachsenen Schützengrabens aus dem Zweiten Weltkrieg wird sie nur gerissen, als sie am Rand des Erdlochs die Riemenzunge entdeckt, Himantoglossum hircinum.
Hannelore Schmidt, in Kriegszeiten nur aufgrund widriger Umstände zur Lehrerin geworden statt zur Botanikerin, durchstreifte Wälder und Auen in höherem Auftrag: »Schützt die Natur« heißt ihr Buch, das im Mai auf den Markt kommt*. Ausgerüstet mit Butterbrot und Botanikbuch, Diktiergerät und Skizzenblock -- vier Sicherheitsbeamte waren immer dabei -, sammelte sie Impressionen aus der Heimat«.
Die Idee zu dem Buch der ersten Genossin des Landes hatte ein Lektor des katholischen Herder-Verlags, als Frau Schmidt im Frühjahr 1977 auf den Galapagos-Inseln weilte und Riesenechsen studierte. Die Freiburger, schon lange nicht mehr nur auf katholisch-theologische Standardwerke ("Lexikon für Theologie und Kirche") programmiert, erhofften sich von der SPD-Autorin Einstiegshilfe in neue kirchenferne Leserschichten.
Man schrieb der Dame im Mai, im Herbst lief Loki los, »ungewöhnlich gut zu Fuß« (so ein Mitläufer) und sich des Risikos der literarischen Gratwanderung »voll bewußt« (ein Herder-Mann).
Denn laut Lokis Bedingungen sollte kein Profischreiber das Manuskript »hochdrehen und aufpeppen«. Das mit Zeichnungen von eigener Hand geschmückte Buch (siehe Seite 244) sollte sein, wie Loki sich gibt: brav, immer erstaunt über die Wunder dieser Welt und immer mal ein bißchen pädagogisch.
»Gummistiefel«, so heißt es denn auch, »sind unentbehrlich in allen Gebieten, die Moore, Watten, Flußniederungen aufweisen«, und selbstverständlich wird niemand in Lokis freier Natur Abfälle wegwerfen, niemand wird lärmen, jeder aber »vor allem die Tiere
* Hannelore Schmidt: »Schützt die Natur. Impressionen aus unserer Heimat. Herder-Verlag, Freiburg: 136 Seiten; 25 Mark.
als auch die Pflanzen schonen und erhalten«.
Gut gemeint und ehrlich wie Frau Schmidts Schreibe ist das Marketing-Konzept des 136-Seiten-Werkes. Loki schreibt, Herder verlegt, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband schießt rund 100 000 Mark zu, allen wohl und niemandem weh.
Die Sparkassen, denen die landsmannschaftliche »Ausgewogenheit gelegen kam« (Verbandssprecherin Karla Anger), beweisen ihre Heimatverbundenheit, Herder druckt 40 000 statt sonst 10 000 Exemplare, der Preis fällt von 30 auf 25 Mark, Frau Schmidt überweist ihr Honorar an das von ihr gegründete »Kuratorium zum Schutz gefährdeter Pflanzen«, von jedem verkauften Buch gehen nochmals zwei Mark an Naturschützer.
Die konzertierte Aktion erhielt Schützenhilfe privat, als Hannelore Schmidt einzelne Kapitel einem Freund der Familie, Siegfried Lenz ("Deutschstunde"), vorlegte. Der Dichter über einen Loki-Trip: »Was die unmittelbare Lust zur Wiederholung dieses Spazierganges weckt: kundige Landschaftserfahrung und sanfte, subjektive Begründung dieser Erfahrung.«
Zu einem öffentlichen Bekenntnis für den Buchumschlag mochte sich der Schriftsteller zwar nicht hinreißen lassen, doch ob mit oder ohne Lenz -- der Absatz des Loki-Erstlings ist allemal gesichert: Ab Mai wandert die Naturschützerin durch westdeutsche Buchhandlungen, um ihr Werk zu signieren.