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SEX Macht auf Schenkel

Eine französische Autorin belegt: Der alte Schürzenjäger ist tot. Die Emanzipation erfordert neue Methoden.
aus DER SPIEGEL 42/1978

Galanterien ("Sie haben so wahnsinnig schöne Augen!") und Direktheiten ("Come on, baby, let's do it!") sind out. Wer heute noch so loslegt. ist im Nu als Opa-Papagallo bloßgestellt. Denn Women's Lib hat den Selbstdarstellungsstil und die Werbe-Sprüche der Männer radikal geändert. Freilich kaum deren Absichten.

Noch immer, so weiß die Pariserin Aurélia Briac zu berichten, »interessiert den richtigen Aufreißer-Typ zwischen 13 und 63 jede Frau«. Schon morgens um acht, auf dem Weg zur Arbeit, dreht er die Scheibe runter und quasselt die Frau an, die im Auto neben ihm auf Grün wartet.

Die junge Autorin. 29. hat die neuesten Methoden (und Mühen), mit denen ein Mann eine Unbekannte ins Bett kriegt, soeben in einem Buch »Über das Abschleppen« zusammengestellt*:.

Die fetten Jahre der konventionellen Schürzenjäger gehen laut Aurélia jetzt zu Ende. Wer heute noch auf die Tricks der Männer reinfällt, hat selber Schuld: »In jeder Frau schlummert eine Gans«, erklärt die Autorin kühl, »und an die richtet sich der Aufreißer.«

Von der kritischen Pascha-Abwehr der Emanzen ist besonders der reife Herr ab 50 betroffen, der sich etwa auf Lunch-Einladungen spezialisiert hat. Doch statt die erwählte Beute um halb drei in ihr Büro zurückzufahren, bekundet er dann gern einen Drang zum Spazierengehen.

»Ein Anruf bei meiner Sekretärin genügt«. so lockt er, »und ich sage die drei lästigen Besucher ab, die ich sonst heute nachmittag über mich ergehen lassen müßte.«

* Aurélia Briac: »De la drague«. Bernard Grassel. Paris; 224 Seiten: 35 Franc.

Doch das ist genau die Art von Angeberei, die heute bei keiner Aurélia mehr zieht. Selbst das Bemühen, vor linksgeneigten Damen die eigene Position zu verkleinern und sieh als schlichter Angestellter der eigenen Bank auszugeben, wirkt nicht mehr: »Er hat zu spät gemerkt«, frohlockt Aurélia, »daß es gut ist, auf sozial zu machen.«

Ältere Aufreißer suchen immer häufiger Zuflucht bei sanften Asiatinnen: »Die respektieren noch die phallokratischen Regeln von früher.«

Allerdings, der Spezies der Anmacher, Aufreißer, Anquatscher« Hinfasser allgemein mag Aurélia eine gewisse sozialhygienische Funktion nicht absprechen: Dank ihnen, so argumentiert sie, findet selbst eine reizlose Frau gelegentlich noch einen Mann -- wenigstens für fünf Minuten. Denn es sind, nach ihren Recherchen, die Häßlichen, die zuerst umfallen: »Die müssen sich ja einfach hinlegen, um die Komplimente zu hören, die schönere Frauen schon im Stehen bekommen.«

Die attraktive Analytikerin hat rund dreißig einschlägige Aufreißer-Arten seziert. Dazu gehört auch der Motorradfahrer, der auf seine Yamamoto einlädt: »Die aphrodisierende Macht des Motors auf die Schenkel«. stöhnt Aurélia, »ist unwiderstehlich.«

Zu den gefährlichsten unter den Asphalt-Casanovas von heute zählt Aurélia jene Männer, die sich inzwischen die feministischen Slogans zu eigen gemacht haben. Das sind die engagierten Feministen im »Women's Lib Now«-T-Shirt, die besorgten Hobby-Köche und sensiblen Groupie-Figuren, die zur Bewunderung von starken Frauen antreten wie einst die Teenies, die James Dean anhimmelten. Ihre Sprüche lauten: »Ich bewundere Ihre Energie!« und »Ich liebe Sie, weil Sie unabhängig sind!« Sie preisen Beruf und Leistung der Umworbenen, benutzen statt »Hausfrau« das dynamische Wort »Homemaker« und sprechen kaum jemals, wie noch die Vätergeneration, von ihrer eigenen Bedeutung, sondern immer nur von der ihrer Partnerin.

»Die finden die neuen Ideen sehr bequem«, erläutert Aurélia, »um daraus ihre Abenteuer zu gewinnen.«

Dabei ist die Pariser Verkehrs-Expertin mit ihren fortschrittlichen Mitschwestern nicht immer solidarisch, die nun ihrerseits ausziehen, um »sich einen Kerl aufzureißen«.

Sie lobt auch nicht jene kühlen Schönen, die eine zu frühe Ejakulation des aufgeregten Fummlers mit dem deutlichen Flüstern quittieren: »Was, schon fertig?« Und sie plädiert auch nicht dafür, daß Frauen nun so anzüglich auf Hosenschlitze starren wie manche Männer auf Busen. Auch stimmt es sie nachdenklich, daß forsch erjagte Männer im Bett oft Abwehrreaktionen, nämlich Impotenz zeigen.

Dennoch hat der Concourt-Preisrichter und Schriftsteller Armand Lanoux, der selber Frauen noch fleißig zublinzelt, Aurélias Buch in »Le Monde« als »Anti-Mann-Pamphlet« heftig beschimpft. Doch so will es die Autorin, die seit Jahren mit »demselben Typ« zusammen lebt, nicht gemeint haben. Und sie erlaubt schließlich auch Ausnahmen beim Umgang mit Aufreißern.

»Wenn der Mann intelligent, schön, brillant, jung und frei ist«, so gesteht sie, »warum dann fliehen?« Ja, wenn.

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