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STEWARDESSEN Mädchen ohne Uniform

Turbulenzen um eine Lufthansa-Stewardeß, die für ein Herrenmagazin als Nackedei posierte.
aus DER SPIEGEL 44/1982

Wenn die Stewardeß Gaby Annicette, ihren 52-Kilo-Körper in Lufthansa-Blau geknöpft, an einem deutschen Airport jetzt zum Start eilt, kriegt sie scharfen Aufwind:

»Männer fliegen auf Gaby«, strahlt es da nämlich von Plakaten, und sie sei »Das Schönste, was die Lufthansa zu bieten hat«. Darunter prangt sie selbst, die »Gaby von der Lufthansa« - aufgeknöpft und hosenlos.

Gabys Arbeitgeber, die Firma mit dem Kranich auf der Flosse, hat mit dem Leibeswerben freilich nichts zu tun; der PR-Böller kommt von Leuten, die Häschen im Schilde führen, vom deutschen »Playboy«.

Denn auf dem Titel seiner November-Nummer und auf fünf bunten Seiten zeigt »Deutschlands schönste Stewardeß«, womit sie geht und steht und sitzt, eben »alles« - »Playboy«-Betriebsanleitung -, »was Männern Spaß macht« und über den Wolken verhüllt bleibt.

Runde 3000 Stewardessen betütteln in LH-Maschinen eine fast reine Männer-Gesellschaft. Beim Whisky-Soda, im engen Sitz und in dünner Höhenluft züngelt da leicht das Geisha-Syndrom - alter Wunsch-Service-Scherz: »Coffee, tea or me?« (Kaffee, Tee oder mich?).

»Jeder, der im Flugzeug sitzt«, erläutert der »Playboy«-Chef Fred Baumgärtel, 54, seine Lage, »denkt sich doch: Wie sehen die Mädels ohne Uniform aus?« Und »Mädchen in Uniform«, schnalzt er weiter, das sei »ganz was Besonderes«.

Extrem besonders, wenn die Uniform der feinen Staatslinie gehört, auf deren Check-Liste auch der gute LH-Ruf steht; als, vor ein paar Jahren, ein Witzbold »Lusthansa«-Aufkleber fabrizierte, mit zwei vögelnden Kranichen, war die Gesellschaft vor Gericht gedüst, wo sie freilich, Fliegerschicksal, beinah abstürzte.

Verkaufsfördernde Turbulenzen ähnlicher Art müßten doch auch, »Playboy«-Strategie, mit einer LH-Nackerten zu entfachen sein, vor allem wenn man windige Freunde hat - »Bild« pustete mit und köchelte die Geschichte eine Woche lang: »Skandal um nackte Stewardeß!«, »Fliegt nackte Stewardeß raus?« und beobachtete die »attraktive« Blondine beim - nicht vorhandenen - »Flug von Israel nach Stuttgart«.

Auch die »Bild«-Meldungen, »Gabys Zukunft« stehe beim »Personalrat auf der Tagesordnung« und vom »Personalchef« habe sie einen »strengen Verweis« erhalten, treffen so nicht ganz zu. Richtig ist vielmehr, daß die Lufthansa eine »Personalvertretung« hat, die Gabys Zukunft nicht auf die Tagesordnung setzte, und einen Verweis hat sie bislang auch nicht bekommen.

Denn die Lufthansa, so ihr Sprecher Klaus Busch, sieht keinen Grund für »personelle Konsequenzen«. Busch: »Wir sind sicher, daß die ganze Angelegenheit für uns genausowenig negativen Effekt hat wie für Gaby positiven.«

Auf Schubkraft ins Rampenlicht allerdings hatte Gaby Annicette, 24 und seit fünf Jahren LH-Stewardeß, spekuliert, als sie für einen Hamburger Photographen aus den Kleidern fuhr; sie sei dafür »prädestiniert«, erzählt sie, aus dem »Heer der Namenlosen« auszubrechen.

Das quirlige Hessen-Mädel ist seit einem Jahr mit einem Leder-Designer aus Guadeloupe verheiratet, auch ein Quirl. Ihr Liebesnest in Kronberg/Taunus, mit Boutique-Glitzer und Disco-Accessoires, zeugt von moderner Lebenslust der jungen Leute.

Der starke Hang, »top« und »happy« zu sein und nichts »heavy« zu nehmen, so spricht Gaby, habe sie schon immer auf Trab gehalten. Erste Erfolge hatte sie damit auf dem Wasser, mit allerlei Meisterschaften im Rudern.

Wie jedes zünftige Covergirl ist sie bei Nonnen zur Schule gegangen, bei den Ursulinen, hat sieben Jahre lang Klavier gespielt, auf einem Wirtschaftsgymnasium Abitur gemacht, mit »Großem Latinum«, und war insgesamt ein »absolutes Wunderkind«. Im Dienst der Lufthansa, erzählt sie, bekam sie, von Passagieren, nur Lobendes zu hören; das Leben als Stewardeß hinzubringen, danach steht ihr freilich nicht der Sinn. Sie wollte ans Licht, bevor sie »alt und schrumplig« sein würde.

Als dann, Anfang letzter Woche, jeder Mann sehen konnte, daß es noch nicht so weit ist, packte sie ein Gefühl »zwischen Stolz und mulmig«. Gaby: »Man ist auf einmal jemand, egal wer.« Neid erhob sein gräßliches Haupt: Kolleginnen, berichtet Gaby, schrieben ihr Boshaftes und reportierten einschlägige Ansinnen von Passagieren; ansonsten empfing sie nur Zuspruch, wenn auch bisweilen, am Telephon, gestöhnten.

Durch Nackt zum Licht: Wie immer Gabys Höhenflug enden mag, die Lufthansa läßt sich durch den »Mini-Vip« (Gaby) nicht vom Kurs abbringen. »Wir haben«, sagt LH-Sprecher Busch, »auf jeden Fall Besseres zu bieten, nicht nur hübschere Stewardessen, sondern auch einen attraktiven Service.«

Und das Leben geht weiter. »Playboy«-Chef Baumgärtel will mit dem »Mädchen in Uniform«-Effekt noch intensiver zündeln, demnächst mit staatlichem Bodenpersonal, mit »Justizangestellten (weibl.)«.

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