

Männliche Feministen Verdächtig viele Helden


Es gibt diesen Spruch, dass "gut gemeint" das Gegenteil von "gut" ist. Wenn man als Feministin Beiträge zu feministischen Themen in den Medien liest und die Reaktionen darauf, dann hat man ziemlich häufig die Auswahl zwischen: gut gemeint - oder nicht mal das. Es ist natürlich schwierig, die Bedürfnisse von Leuten zu befriedigen, die sich einen radikalen gesellschaftlichen Wandel wünschen, aber auch nicht völlig unmöglich.
Unter Feministinnen ist es eine Art Running Gag geworden zu beobachten, dass irgendein Mann plötzlich anfängt, fortschrittliche politische Statements zu machen, und dann fragt man nach: Oh, was ist mit ihm passiert? Ah, er hat eine Tochter bekommen. Und dann festgestellt, dass ihr die Welt nicht ganz so offen steht, wie er ihr das wünscht. Vor ein paar Tagen gab es im Internet viel Lob für einen österreichischen Sänger, Schauspieler und Kabarettisten, der in einem Interview gesagt hat: "Ich halte es für unmöglich, als Vater von Töchtern nicht Feminist zu werden."
Solche Statements gibt es immer wieder mal. Es gibt sogar eine Studie, die nahelegt, dass männliche Chefs, deren erstes Kind ein Mädchen ist, dazu neigen, ihre weiblichen Angestellten besser zu bezahlen. Auf "Zeit Online" erschien vor einiger Zeit ein Beitrag von einem Autor, dessen Tochter erst ihren 16. Geburtstag feiern musste, damit er sich die Frage stellte: "In was für eine Welt muss ich sie eigentlich entlassen?" Er entschied, sich fortan als "Feminist" zu bezeichnen (beziehungsweise aus nicht ganz ersichtlichen Gründen als "Feministin", als sei er nicht ganz überzeugt, dass es davon eine männliche Variante geben kann).
Leben Söhne in einer fairen Welt?
Jetzt könnte man erst mal sagen: Ja, besser spät als nie, warum gleich zynisch werden, ist doch cool. Und ja, das ist es in gewisser Hinsicht auch ein bisschen. Aber in anderer Hinsicht eben auch gar nicht. "Ich halte es für unmöglich, als Vater von Töchtern nicht Feminist zu werden" - Was stimmt daran nicht?
Es ist, zum einen, gemäß meinen bisherigen Ermittlungen absolut möglich, als Vater von Töchtern auch kein Feminist zu sein. Aber gut, "unmöglich" kann auch "unverständlich" heißen. Doch auch dann: Es ist beachtlich, wenn Männer für den Erleuchtungsschritt, dass gerechtigkeitsmäßig noch nicht alles in Ordnung ist, erst Töchter bekommen müssen. Wie haben sie diese Kinder bekommen, per Lieferung unter den Stein, unter dem sie vorher ein paar Jahrzehnte gelebt haben? Oder mit einer Partnerin? Haben diese Männer vorher nie mit einer Frau geredet? Oder beziehungsweise, man muss das vielleicht dazusagen: einer Frau mal zugehört? Oder ist diese eigene Tochter wirklich das erste weibliche Wesen, mit dessen Lebenswelt sie sich beschäftigen?
Und: Ich habe schon haufenweise diese "Ich habe jetzt eine Tochter und bin jetzt auch Feminist"-Beiträge gesehen - aber noch nie einen, in dem ein Mann sagt: Ich habe jetzt einen Sohn und merke, wie ungerecht diese Welt immer noch ist. Dabei wird sich in dieser Welt einfach nicht genug ändern, wenn alle nur ihre Töchter zu selbstbewussten, emanzipierten Frauen erziehen und die Söhne immer noch so wie 1950. Es reicht nicht.
Dieses Modell "Feminist durch Geburt (aber nicht die eigene)" zu kritisieren, ist natürlich immer auch etwas heikel, weil man nicht die Falschen treffen will, die gerade auf dem richtigen Weg sind. Dünnes Eis. Vielleicht machen die beiden oben zitierten Männer inzwischen alles richtig und sind wunderbare Väter. Aber leider ist das Problem etwas größer, denn das Konzept "feministische Erleuchtung durch Töchter" ist eng verwandt mit einem anderen Konzept. Wenn es etwa um Gewalt gegen Frauen oder Mädchen geht, hört man oft den Motivationsspruch an Männer: "Tu was, sie könnte deine Tochter/Schwester/Nichte/... sein". Oder anders gesagt: Kümmere dich um genau diejenigen weiblichen Personen, zu denen du eine Bindung hast - oder haben könntest -, sie sind durch die Beziehung zu dir aufgewertet und nicht irgendwelche mysteriösen Bitches. Wenn es deine ist, pass auf. Beschütze sie, du Tiger im Körper eines Mannes.
Es gibt noch viel zu tun!
Eventuell gut gemeint, definitiv schlecht ausgeführt. Genau wie ein Text, der neulich im "Tagesspiegel" stand, ein Porträt über einen Gynäkologen. Vielleicht war es eine feministische Absicht, die dahinter stand, man weiß es nicht. Es geht um den einzigen Arzt in Niederbayern, der noch Schwangerschaftsabbrüche durchführt, obwohl er schon in Rente sein könnte: "Der Letzte, der es wagt, abzutreiben" - eine Art Heldengeschichte. Aus journalistischer Sicht ohne Frage ein interessanter Fall, und aus feministischer Sicht zweifellos ein wichtiges Thema, denn die Versorgung von ungewollt Schwangeren wird in Deutschland in vielen Regionen immer schlechter. Wer abtreiben will, muss oft weite Strecken zurücklegen, in Niederbayern also zu Michael Spandau, den der "Tagesspiegel" sich ganz genau angeschaut hat.
"Alles in der Wohnung des Arztes ist sehr weich. Das flauschige Fell auf der Couch und von seinem Hund Diego, selbst seine Stimme. Als sei das gesamte Setting eines Gesprächs mit ihm am Stadtrand Passaus darauf angelegt, eine Zahl abzufedern: 4.500. So viele Kinder hat der Gynäkologe Michael Spandau auf die Welt geholt, sagt er - und zwar tot und allein in den letzten 15 Jahren."
Wer sich 30 Sekunden mit Abtreibung beschäftigt hat, weiß, dass da keine "Kinder auf die Welt geholt werden - und zwar tot". Der Zellklumpen, der bei einer Abtreibung in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft aus dem Uterus geholt wird, ist noch kein Kind. Die einzige Gruppe, die das so benennen würde, sind sogenannte Lebensschützer, also AbtreibungsgegnerInnen, die Abbrüche am liebsten komplett verbieten würden. Dass der porträtierte Arzt seine Stimme extraweich wirken lässt und sich einen besonders fluffigen Hund zugelegt hat, um von seinem Beruf abzulenken: sehr unwahrscheinlich. Aber warum nicht genau so aufschreiben? Einfach für den Gänsehautfaktor. Grüßt er womöglich auch ganz normal seine Nachbarn?
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Später im Text wird erklärt, wie katastrophal die Versorgungslage von Schwangeren ist, die abtreiben wollen, und dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland immer noch nicht legalisiert sind. Der Arzt Michael Spandau selbst sagt, er werde wütend, wenn Frauen mehrmals zu ihm kommen, also "mit der Methode Spandau verhüten" - eine Formulierung, die im Text nicht hinterfragt wird, so als gäbe es wirklich Frauen, die einfach hobbymäßig abtrieben. Dazwischen völlig zusammenhangslos ein Bild von einem schwangeren Bauch kurz vor der Entbindung - das hätten sich fundamentalistische Abtreibungsgegner nicht besser wünschen können.
Wer ohne feministisches Vorwissen an diesen Text herangeht, denkt nach dem Lesen vermutlich: "Wow, ja, kein Wunder, dass so wenig Ärzte das noch machen, es ist ja auch echt krass und halb kriminell, so ein Kind abzutreiben." Das heißt, die eventuell ehrenwerte Absicht, darzustellen, wie schwierig es sein kann, in Deutschland eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen, endet in einem ziemlichen Desaster, bei dem man am Ende noch Mitleid hat mit diesem alten Mann, der entgegen seinen Überzeugungen leichtsinnigen Frauen fast fertige Kinder aus dem Uterus pumpt.
Ich wünsche, es wäre nicht so, dass Texte zu feministischen Themen, die einen Mann als Helden feiern, fast immer einen Haken hätten. Und ich wünschte auch, die Leute, die das lesen, würden das merken, und nicht am Ende sagen: Toll, so ein mutiger, emanzipierter Mann. Oder sich zumindest nicht wundern, wenn Feministinnen sich immer und immer und immer wieder wiederholen, wenn sie sagen, dass es noch sehr viel zu tun gibt.