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FERNSEHEN Maulwurfs Tränen

»Dame, König, As, Spion«. Britische TV-Serie in sechs Teilen nach dem Roman von John le Carre. ZDF. Start: 25. Juni, 21.20 Uhr.
aus DER SPIEGEL 26/1980

Etwas rundlicher hatte ich mir George Smiley schon vorgestellt. Und auch Alec Guinness selber empfand wohl so: Jedenfalls hat er sich, wie man hört, für die Rolle vorher ein paar Pfunde anzufuttern versucht.

Doch von dem kleinen figürlichen Defizit abgesehen: Eine bessere Smiley-Verkörperung als die durch Guinness ist kaum vorstellbar. John le Carre, der Erfinder dieses 007-fernsten aller Meisteragenten, sah es voraus: Er habe »nie ernsthaft jemand anderen für die Rolle in Betracht gezogen« als »dear sweet Alec«.

Vom Mittwoch dieser Woche an ist auch auf deutschen Bildschirmen zu verfolgen, wie wunderbar wortkarg, understatement-sicher und melancholisch-autoritativ Sir Alec als der Mastermind des »Circus«, der britischen Geheimdienstzentrale am Londoner Cambridge Circus, den »Maulwurf« jagt, einen in der Dienst-Spitze nistenden, für die Russen tätigen Verräter.

In sechs Teilen zeigt das ZDF die englische TV-Serie nach le Carres bestem Bestseller »Dame, König, As, Spion« -- ein Fest für Carre- und Smiley-Fans, intelligent-spannende, allerdings erhebliche Aufmerksamkeitsanspannung S.185 fordernde Unterhaltung auch für Zuschauer ohne einschlägige Vorkenntnis.

Ein Erfolg wie der, den die Serie letzten Herbst beim britischen Publikum erzielte, ist anderswo gewiß nicht wiederholbar. Zweimal hatte das Leben für die Kunst aufs schönste Public Relations gemacht.

Während auf dem Bildschirm zu sehen war, wie der Geheimdienst-Pensionär Smiley für seinen Spezialauftrag reaktiviert wurde, kam die Nachricht von der Reaktivierung des echten MI 6-Chefs Maurice Oldfield für einen Sondereinsatz in Nordirland -- und nicht nur sahen sich Oldfield und Guinness-Smiley ähnlich, die Gentlemen, so wurde bekannt, hatten auch miteinander geluncht.

Während auf dem Bildschirm der vom Romanautor nach dem Vorbild des realen Verräterspions Kim Philby gezeichnete »Maulwurf« in die Falle ging, flog in der Realität Philbys Verrätergenosse Anthony Blunt auf (SPIEGEL 48/1979) -- und sah dem Darsteller des »Maulwurfs« in der laufenden Fernsehserie verblüffend ähnlich.

Kostbare Koinzidenzen, die den Anschein des Authentischen, der le Carres Agentenromane ohnehin auszeichnet, noch verstärkten. Die BBC verzeichnete von Folge zu Folge zunehmende Seherzahlen. »Es gab Zuschauer«, freut sich John le Carre, »die die Geschichte auch am Ende noch nicht ganz verstanden hatten, aber sie blieben bis zum Ende dran.«

Seine in der Tat raffiniert verrätselte Story, seine trickige Erzählweise wurden für die TV-Serie so zuschauerfreundlich und so werkschonend wie möglich vereinfacht. Kenner des Romans mögen bedauern, daß dessen stimmungs- und geheimnisvoll umwegiger Anfang gekappt wurde; für die nötige telegene Initialspannung sorgt nun der Action-Auftakt wirklich besser.

Smiley, wie gesagt, ist von jetzt an Guinness. Aber auch all die anderen »lieben Jungen« vom Dienst und die mit diesen Worten ihnen und vergangener britannischer Größe nachtrauernde »Circus«-Veteranin Connie Sachs sind höchst ansehnlich, ganz die feine englische Art, das Quartett der Verdächtigen -- »As« Percy Alleline, »König« Bill Haydon, »Dame« Roy Bland, »Bube« Toby Esterhase -- so gut wie der penetrante Snob- und Club-Typ Roddy Martindale.

Nuancen der Diktion, die im Original, eine Stärke guter englischer Schauspielerei, die Figuren nach ihrer sozialen Herkunft amüsant charakterisieren, haben sich in die deutsche Synchronisation nicht übertragen lassen. Daß die Geschichte vom Circus-Maulwurf etwas mehr ist als ein Spionage-Thriller, teilt sich gleichwohl mit. BBC-Produzent Powell nennt sie gar einen »wundervollen Essay über das System der britischen Oberklasse«, ein »spezifisch britisches Werk -- über Verrat, über Betrug, über eine Nation im Niedergang«.

In einem SPIEGEL-Essay zur Affäre um den deutschen Quasi-Maulwurf Guillaume hatte John le Carre, der britische Ex-Diplomat David Cornwell, 1974 aus seinen sonst verheimlichten Metierkenntnissen geplaudert: »Ein früherer Agent aus meinem Bekanntenkreis erzählte mir von unkontrollierbaren Weinkrämpfen, ob aus Triumph oder Gewissensnöten, wisse er nicht.«

Am Ende von »Dame, König, As, Spion« wird der entlarvte »Maulwurf« von ebensolchen Weinkrämpfen geschüttelt. Sein Darsteller im TV-Film bringt das eindrucksvoll. »Oh, ich liebe diese Szene, wenn er weinend zusammenbricht«, sagt John le Carre und lacht, ein wenig verlegen.

Rolf Becker

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