MEDIZIN / VORSORGE-UNTERSUCHUNGEN
»Das Auto«, so zitiert die Pressestelle des Saarländischen Rundfunks ein Umfrage-Ergebnis der Wickert-Institute, »erlebt in der Bundesrepublik fünfmal häufiger, was Bundesbürgern dringend angeraten wird -- eine vorbeugende Untersuchung.«
Seit Anfang September versucht der Saarbrücker Sender über die Europawelle Saar dieses Mißverhältnis zu korrigieren -- durch ein neuartiges Gesundheits-Scheckheft, das in der Aufmachung dem Kundendienstheft für Automobile ähnelt.
Mit ihrer Wartungsliste scheint den Funkleuten zu gelingen, was Institutionen wie der »Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsvorsorge e. V.« mit überkommenen Wahlsprüchen wie »Vorbeugen ist besser als heilen« oder der Godesberger »Aktion Gemeinsinn« mit ihrer Aufklärungsbroschüre »Gesundheits-Kompaß« (Ratschlag: »Kummer tu-id Sorgen nicht mit ins Bett nehmen") bisher großenteils versagt geblieben war: medizinisches Bewußtsein unter Bundesbürgern zu wecken.
Denn kaum hatten die Saarbrücker damit begonnen, in ihrer Hausfrauensendung am Vormittag, im Abendmagazin und im Regionalfernsehen das Scheckheft vorzustellen, begleitet von »etwas verpopten« (so Scheckheft-Initiator Axel Buchholz) Mediziner-Referaten etwa über Herz- und Kreislaufkrankheiten, war die erste Auflage (5000 Exemplare) vergriffen. Eine zweite Auflage -- 12 000 Stück -- wird vorbereitet.
Möglicherweise wird das Saarbrücker Medizin-Modell in modifizierter Form sogar millionenfach verbreitet werden: Die Münchner Familien-Zeitschrift »Eltern«, eine Baseler Public-Relations-Agentur und einige Zeitungsverlage wollen das von der Saarbrücker Ärztin Mia Opitz verfaßte, populär geschriebene Scheckheft kopieren.
Daß die medizinische Checkliste unter den Hörern so großen Zuspruch findet, begründet SR-Redakteur Buchholz neben der für Auto- und Bankkontobesitzer vertrauten Aufmachung mit dem Bedürfnis nach »handfesten Informationen auch unter Laien«. Das Westentaschenheft ist In drei Sektionen aufgeteilt und belehrt die Benutzer gleichsam von der Wiege bis zur Bahre: Vorsorgeuntersuchungen für Säuglinge und Kinder, Routinekontrollen für Frauen und Schwangere, und schließlich der medizinische TÜV-Plan für Männer vom 16. Lebensjahr an.
Auf den Rückseiten der einzelnen Schecks werden dabei alle wichtigen Krankheiten erläutert, die in den verschiedenen Altersstufen besonders häufig auftreten und die im Verlauf von Vorsorge-Untersuchungen frühzeitig erkannt werden könnten.
So empfiehlt das Gesundheits-Brevier unter anderem
* für Babys im Alter von sechs Monaten eine Untersuchung auf Hüftgelenk- und Wirbelsäulenschäden sowie auf Rachitis, aber auch die Erfolgskontrolle einer in den ersten Lebenstagen erfolgten Tb-Schutzimpfung;
* für Kinder im 6. Lebensjahr die letzte große Untersuchung vor Beginn der Schulzeit -- sie umfaßt eine Beobachtung der Sprachentwicklung (um mögliche hirnorganische Schäden zu entdecken), eine generelle Kontrolle der übrigen Sinnesorgane sowie die Empfehlung zu Wiederholungsimpfungen gegen Diphtherie und Kinderlähmung;
* für Schwangere von der 10. Woche an in bestimmten Abständen die Kontrolle von Körpergewicht, Blutdruck und Um -- um etwa eine mögliche Präeklampsie (leichte Form der Schwangerschaftsvergiftung) feststellen zu können;
* bei Frauen über 25 Jahre regelmäßige Untersuchungen auf Brust- und Unterleibskrebs;
* bei Männern über 50 Jahre jährliche Untersuchungen auf Prostata- und Dickdarmkrebs, aber auch auf Bluthochdruck, Arteriosklerose, Nierenerkrankungen oder Diabetes. Freilich: Ob alle Bezieher des Saarbrücker Präventiv-Appells die für ihre Altersstufe empfohlenen ärztlichen Vorsorge-Untersuchungen auch getreulich nach Scheckheft absolvieren, erscheint fraglich. Denn noch immer werden nur wenige Vorsorge-Untersuchungen -- etwa die Krebs-Früherkennung bei Frauen über 30 -- auch von den Krankenkassen vergütet.
Für jeden anderen Testwilligen würde eine komplette Routineuntersuchung beim Arzt etwa 200 Mark kosten -- knapp doppelt soviel wie ein regelmäßiger 10 000-Kilometer-Wartungsdienst (ohne Ersatzteile) beim VW 1500.