Ein Ci-devant kehrt zurück, ein fast schon Vergessener, ein wortwörtlicher »Grufti«, der sich wohl als einziger Deutscher in einer nach eigenen Plänen gebauten Pyramide hat begraben lassen, seinem »Tumulus«. Er starb als Fürst Hermann Pückler-Muskau 1871; 1785 wurde er im Kurfürstentum Sachsen geboren.
Die plötzliche Konjunktur für den exzentrischen Standesherrn ist nur mit viel Phantasie zu erklären. Vielleicht auch mit der Flucht in romantische Vorstellungen von luxuriösem Wohlleben und ungehinderter, ja rücksichtsloser Selbstverwirklichung. Das vergriffene Buch »Der grüne Fürst«, eine Biographie dieses rastlosen Lebemannes, Landschaftsarchitekten und Schriftstellers wurde jetzt neu aufgelegt*.
Mit dem Namen »Fürst Pückler« verbindet sich bei den allermeisten zunächst das nach ihm benannte Eis. Ein Konditor in Cottbus hat dem stets unter Geldknappheit leidenden Pückler die Erlaubnis, es so zu nennen, abgeschmeichelt, wenn nicht gar abgekauft. Bei »Kranzler« in Berlin verlangte man das Eis unter dem Namen »Tutti-Frutti«, nach einem 1834 unter diesem Titel erschienenen Buch Pücklers. Es wurde so viel gelesen wie sonst nur die späten Werke Goethes und die Bücher dessen Schwagers, des Räuber- und Schauerromanschreibers Christian August Vulpius. Wenn nicht als Schriftsteller, so war Pückler gewiß als Briefeschreiber einer der Ersten seiner Zeit.
In der Epoche vor Bismarck hatten nur zwei grundverschiedene Preußen literarischen Weltruhm: der Naturforscher Alexander von Humboldt (Bismarck: _(* Heinz Ohff: »Der grüne Fürst. Das ) _(abenteuerliche Leben des Hermann ) _(Pückler-Muskau«. Piper Verlag, München; ) _(328 Seiten; 18,90 Mark. ) »recht geschwätzig") und Pückler. Und während seiner über 40 Jahre dauernden Regierungszeit ernannte König Friedrich Wilhelm III. nur drei Männer zu Fürsten: Leberecht von Blücher, der Wellington bei Waterloo zu Hilfe eilte, Karl August Graf von Hardenberg, seinen Staatskanzler, und dessen Schwiegersohn, den Grafen Pückler-Muskau.
Wer nun denkt, daß das eben Vettern- und Fürstenwirtschaft der »feinen« Gesellschaft war, der irrt sich. An dem Essen, das Hardenberg seinem neu »gefürsteten« Schwiegersohn Pückler gab, nahm fürstlich prustend auch der nicht »gefürstete« Neidhardt Graf von Gneisenau teil, der eigentliche Partner Wellingtons bei Waterloo.
Nichts an Pückler entbehrt operettenhafter Züge. Dennoch hat er ein ganz ernsthaftes Lebenswerk hinterlassen, er, der seiner nur knapp 15 Jahre älteren Mutter einige Jahre vor deren Tod schrieb, er sei nun einmal der »Melancholicus« in der Familie. Wie aber kann so einer sich melancholisch fühlen? Vielleicht bleibt es nur den ganz Großen, Goethe etwa, vorbehalten, ihr Leben als Gesamtkunstwerk zu begreifen, bevor die Unsterblichkeit über sie hereinbricht.
An Mut fehlte es Pückler nie, an Geld immer. Er kannte seine guten Eigenschaften, aber seine schlechten noch besser. Seine Zeitgenossen beeindruckte und provozierte er durch schonungslose Ehrlichkeit, in erster Linie sich selbst gegenüber. Allerdings beherrschte ihn eine fast komische Eitelkeit (Pückler: »Der Eitelste ist der am wenigsten Wichtigtuerische"), die sich in seiner Ordenssucht ausdrückte. Selbst im tiefsten Afrika wird er den Wladimir-Orden tragen, den ihm Zar Alexander I. während der Napoleonischen Kriege verliehen hatte.
1861 in Königsberg, bei der Krönung Wilhelms I., wurde Pückler von den Majestäten liebevoll begrüßt und erhielt den zweithöchsten ihm zugänglichen Orden, das »Goldene Großkreuz des Rothen Adlerordens«. Pückler revanchierte sich mit einer »Königin-Augusta-Wiese«.
Bis zuletzt scheint er sich dem ihm bekömmlichen Teil seiner Manneskraft gewidmet zu haben. Den Frauen mußte er nicht nachjagen, sie jagten ihm nach. Er war nicht eigentlich schön, wie er selbst beklagte, aber doch elegant und hochgewachsen; selbstkritisch beschreibt er sich »ohne hübsches Gesicht und vorteilhafte Gestalt«. Schöner wurde er, als er aufhörte, sich die schütteren Haare und den Bart schwarz zu färben. Beeindruckend muß er in jedem Fall gewirkt haben; der bewundernde Fontane: »Wenn Pückler in einen Raum kam, war er sofort Mittelpunkt, nicht weil er ,Fürst'', sondern weil er ,Pückler'' war.«
Ob der Fürst nun Weltmann oder Dandy sei, mochte E.T.A. Hoffmann, sein Rivale bei Wein und Weib, der den »Grafen P.« 1817 in seiner Novelle »Das öde Haus« als »sonderbar und verschwendungssüchtig« beschreibt, nicht entscheiden. Pückler hätte schon die Fragestellung nicht verstanden, denn er kannte auch den Unterschied zwischen einem Gourmand und einem Gourmet nicht. Hingegen lobte er den englischen Dandy »Beau Brummell«, weil er der englischen Nation die gestärkten Halsbinden verordnet hatte.
Goethe, der Pücklers Begabung für die Landschaftsgärtnerei als erster erkannte, lobte ihn öffentlich; Heine, (dem der verschwenderische Lebenskünstler vermutlich Geld zu verschaffen wußte, an dem es ihm selbst stets mangelte) auch. Der kranke Dichter widmete seinem ihm so ähnlichen Freund den Sammelband »Lutezia«. Pückler besuchte ihn an der Matratzengruft.
Hermann Graf Pückler wird als Erbe zweier Güter und als Standesherr mit einem goldenen Löffel im Mund geboren. Aber er entwickelt sich zum renitenten Tunichtgut. Seine Eltern zanken sich unablässig. Eigentlich ist es Zufall, daß er eine Art von Erziehung erhält. Vor allem lernt er Reiten und Schießen und die Regeln der Pferdezucht. Den souveränen Umgang mit Säbel und Degen bringt ihm sein letzter Lehrer bei. Von seinen zahlreichen Duellen blieb ihm an der Wange eine lange Narbe zurück. Das Glücksspiel braucht diesem Jüngling keiner beizubringen.
Zwar soll er nach den Plänen seiner Eltern in Leipzig Jura studieren, aber der 16jährige erklärt sich kurzerhand selbst für volljährig, verzieht sich nach Dresden und tritt als Leutnant in das feinste Reiterregiment Gardes du Corps ein. Das kostet und kostet. Und die Spielhöllen und Bordelle kosten auch.
Auf den Namen des Vaters schreibt er Wechsel für sein künftiges großes Erbe aus, denn Hermann wird die Standesherrschaft Muskau gehören, vom Großvater vererbt, der Vater darf sie nur verwalten. Der erbost sich: »Wo ich hinreise, muß ich unter fremdem Namen reisen, sonst riskiere ich, überall von Deinen wütenden Gläubigern angefallen zu werden.«
Den »tollen Pückler« ficht das nicht an. Er ist in Dresden Tagesgespräch: Zum Schrecken der Spaziergänger gibt er nahe den Brühlschen Terrassen seinem Pferd die Sporen und sprengt in rotgoldener Reiteruniform von der Brüstung in die Elbe, acht Meter tief. Roß und Reiter bleiben unversehrt.
Als die gesamte Familie beim Erbschaftsgericht in Bautzen eine Entmündigungsklage einreicht, wird diese gar nicht erst angenommen, und Pückler erfährt auch nichts von ihr. Denn der Kurfürst Friedrich August III., später als Friedrich August I. König von Napoleons Gnaden, mag »die erste Familie in der ganzen Lausitz« wohl kaum brüskiert sehen.
Die Eltern lassen sich schließlich scheiden. Während seine Briefe über den Vater nur blanken Haß verraten - er nennt des Vaters Leben einen »fortlaufenden Mißgriff« - verkehrt er mit der Mutter in einem ironisch-erotischen Ton. Aber auch die neue Gräfin Seydewitz scheint von ihrem Sohn nicht immer begeistert gewesen zu sein. Pückler schreibt ihr: »Obgleich meine gnädige Mutter mich für einen Pfuscher in allen Dingen hält, so ist mir doch gerade noch genug Verstand geblieben, um durch solches Lob nicht eitel zu werden.«
Lebenslang bleibt Pückler eifersüchtig auf seinen Stiefvater Kurt von Seydewitz, der es in bayerischen Diensten zu einem richtigen General bringt. Warum wird Hermann von den Preußen nur zum Musterungs-Oberst ernannt? Warum nur zum General honoris causa befördert und gleichzeitig aus dem Dienst entlassen? Warum hat man ihn 1866 während der Schlacht von Königgrätz nicht geweckt, sondern den 81jährigen auf seinem Feldbett die Kämpfe verschlafen lassen, wo er doch Bismarck ebenso verehrte wie Kaiser Napoleon III.? Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, noch nicht umnachtet, frotzelte Pückler: »Sans adieu, mon cher Prince.« Es war für immer.
Pücklers Karriere steckt ständig in roten Zahlen. 1804 gerät er darob in berechtigte Panik und nimmt Reißaus.
Was macht ein Standesherr in solcher Lage? Er reist zu Fuß durch Europa, mit zwei Rucksäcken ausgestattet, einen davon gefüllt mit Büchern. Er sei ein »Bettelgraf« wird er seine Schwester Klementine wissen lassen, und die Mutter versucht er mit dramatischen Worten zu erweichen: Durch ihre Schuld sei er todkrank, denn sie lasse ihn ohne Geld, und er werde in der Fremde auf der Straße blutspeiend zusammenbrechen.
In Muskau hatte man ihm einen Paß auf den Namen »Sekretär Hermann« ausgestellt. Einen Großteil seiner langen Reise dürfte er tatsächlich zu Fuß abgeschritten sein.
In Rom angekommen, gibt er sich zu erkennen. Hier findet er nicht nur Gelegenheit zum Schuldenmachen, sondern auch die Gräfin Julie von Gallenberg, große Liebe Beethovens. Mit ihr erklettert er den Vesuv, um dessen Ausbruch nicht zu versäumen; und ihr, seiner römischen Geliebten, wird er später das Muskauer Leben als »inmitten von Wäldern, in einer Art von Wüste« schildern, »wo es nur Wölfe, Wildschweine, Bauern und Dummköpfe gibt«.
Nicht gerade religiös, politisch uninteressiert, judenfreundlich, entdeckt er erst später seine Vorliebe für die Preußen. Selbst zu einem Viertel französischer Herkunft, zeigt er aber auch - wenngleich naive - Sympathie für die Franzosen. Als nach dem Zusammenbruch der Großen Armee im Winter 1812 die Truppen auf ihrem Rückmarsch erschöpft und zerlumpt nach Muskau gelangen, fährt er, vom Typhus, den die Soldaten eingeschleppt hatten, kaum genesen, nach Bautzen, um Napoleon über den heillosen Zustand Muskaus zu unterrichten. Der Korse aber läßt den Besucher kurzerhand arretieren.
Graf Pückler flüchtet wieder einmal, zunächst nach Weimar, wo ihn die Familie Schopenhauer beherbergt. Jetzt nimmt er Partei gegen Napoleon, gegen Frankreich. Auf preußischer und russischer Seite kämpft er in den Befreiungskriegen. Pückler, angeblich von Gott ganz verlassen, war 1815 von der sächsischen auf die preußische Seite gefallen. Später wird er schreiben: »Als der liebe Gott mich preußisch werden ließ, wandte er sein Antlitz von mir, denn was habe ich davon.«
Wo immer Pückler sich befindet, macht er sich Notizen und schreibt. Zu seinem Hausstand gehörte, damals sehr ungewöhnlich, das Ungetüm einer Kopiermaschine, umständlich zu bedienen, aber sehr effektiv. Nur deshalb sind Pücklers Aufzeichnungen so gut wie vollständig erhalten. Der verspielte Fürst war ein Jahr lang schneller als die Post. Er hielt sich einen uniformierten Schnelläufer namens Mensen. Wenn es einige Wochen lang von ihm nichts zu lesen gab, so hatte man mit einer frischen Liebe zu rechnen (oder einer Quecksilberkur?).
Merkwürdigerweise wird Pückler nirgends als deutscher Casanova vorgeführt, obwohl nicht ausgeschlossen ist, daß er den Italiener mit der Zahl seiner Liebschaften überboten hat. Seiner älteren Ehefrau »Schnucke« hatte er diese Freiheiten vor der Eheschließung abgehandelt, und sie macht das Beste daraus. Erst als »Lou« 1837 nach einer sechsjährigen Reise durch Syrien, Afrika, Griechenland und die Türkei die noch nicht 13jährige Sklavin Machbuba, die er gelegentlich als Fürstentochter ausgab, kaufte und mit sich nahm, streikt Frau Lucie.
1839 in Budapest und Wien angekommen, hatte Pückler keine Scheu, seine exotische Geliebte dem österreichischen Staatskanzler Metternich vorzustellen. Als die Abessinierin nach einem Jahr Aufenthalt in dem ihr fremden Klima an einem Lungenleiden stirbt, verbittet sich die Fürstin, daß der untröstliche Pückler Machbuba im Muskauer Park ein Mausoleum errichtet. Beerdigt ist sie auf dem Muskauer Dorffriedhof.
Diese und andere afrikanische Mitbringsel widerlegten nicht ganz den Pücklerfeind Karl Immermann, der ihm den Charakter eines Münchhausen zuschrieb.
Es war vielleicht das erste Mal, daß die Tochter des Fürsten Hardenberg, in ihrer ersten Ehe Reichsgräfin von Pappenheim, ihrem sonst so schwierigen Ehemann wirklich gram war. Damit er nicht am Sterbebett der Afrikanerin verweilen konnte, reist sie nach Berlin, erkrankt dort prompt, und »Lou« muß hinterher. Ob er seine Frau geliebt hat, läßt sich bei solch einem Egomanen kaum feststellen. Mit Sicherheit wollte er an ihr Geld und an das des Vaters, der nach seinem Tode aber selbst nur Schulden hinterließ - Stichwort »preußische Tugenden«.
Die Reichsgräfin blieb ihrem untreuen Pückler bis zur Ankunft der jungen Schönheit in jeder Hinsicht ergeben. Sie erlebte seine amourösen Abenteuer mit, und er schrieb ihr, wie zum Trost, fast täglich seitenlange Briefe, die sie sammelte und in den Berliner Salons vorlesen ließ. Zusammen mit Karl August Varnhagen von Ense und dessen Frau Rahel redigierte sie die unterhaltsamen, mit ironischem Witz geschriebenen Berichte von Reisen und Abenteuern des unsteten Fürsten und ließ sie schließlich unter dem Titel »Briefe eines Verstorbenen« drucken. Das Buch machte ihn berühmt, und es freute ihn, daß er mit seinen »bisherigen Scharteken« an die »30- bis 40 000 Taler gezogen« habe.
Pückler liebte, was wohl selten zu haben ist, eine Konstellation, die aus Mutter, Tochter und viel Geld besteht. Bei Lucie von Pappenheim, geborene Hardenberg, fand er sie. An die Tochter Adelheid der Reichsgräfin war er offenbar nicht herangekommen, wohl aber an deren schöne Ziehtochter unbekannten Ursprungs namens Helmine. Über diese Liaison vermerkte er in seinem Tagebuch, » . . . süße Schäferstunde, lieblicher und feuriger, als sie sonst wohl zu sein pflegt«.
Bei einem solchen Leben versteht es sich eigentlich von selbst, daß die Liebe zur neun Jahre älteren Reichsgräfin vielleicht nicht gerade von erotischer Leidenschaft geprägt war, eher von einem beiden gemeinsamen Gespür fürs Exzentrische. Das Hirschgespann, mit dem Pückler vor dem Berliner Cafe »Kranzler« vorfuhr, um seiner zukünftigen Frau zu imponieren, war nur der Anfang dieser von beiden Seiten belebten, tiefempfundenen Freundschaft. »Lou« wird allerdings die Hälfte seiner Tage nicht bei seiner"Schnucke«, sondern auf Reisen und mit anderen Frauen verbringen.
Wo Pückler war, war auch Suche nach Geld. Und Frauenspersonen, die wir nicht alle aufzählen wollen, spielten dabei bis zuletzt eine Rolle. Als er starb, hatte er allerdings keine Schulden mehr, hatte sogar Geld. Die Immobilien vererbte der Kinderlose dem Grafen Heinrich Pückler aus einer Nebenlinie. Verdächtig oft war während etlicher Wochen vor Pücklers Tod eine Frauensperson, Marie von Pachelbl-Gehag, geborene Gräfin Seydewitz, eine entfernte Verwandte, auf Branitz umhergestrichen. Sie hat sein Geld geerbt.
Die Reichsgräfin, der Pückler auch an körperlicher Rüstigkeit voraus war, überlebte er um fast 17 Jahre. Bis an ihr Ende mit 78 Jahren, das sie zum Schluß im Rollstuhl verbringen mußte, tat Pückler alles, um ihr das Leben angenehm zu machen. Da sie keine Lust mehr hatte, auf Grünflächen zu blicken, legte er ein großes Rosenbeet an, in das ein geschwungenes S (für »Schnucke") gepflanzt war, und er selbst schob sie zum Fenster, damit sie das Beet sehen konnte. Diese ungewöhnliche Ehe wurde 1826 geschieden, aber wirklich geschieden hat die beiden nur der Tod.
Denn die Scheidung zu Lebzeiten war eine Idee der findigen »Schnucke« und erfolgte mit Erlaubnis des preußischen Königs, die seinem Schwiegervater Hardenberg selbst verweigert worden war. Beide Eheleute waren Verschwender und sich dieses Übels wohl bewußt. Um den heillos verschuldeten Haushalt zu sanieren, schlug »Schnucke« vor, Pückler solle in England nach einer reichen Erbin suchen, um dann in Muskau eine Menage a trois zu begründen.
In London aber begleitet der auf Brautschau Geschickte fast einen Monat lang Tag und Nacht die Opernsängerin Henriette Sontag. Sie hätte ihn heiraten weder können noch wollen, da sie dem kahlköpfigen sardischen Grafen und Gesandtschaftsattache Carlo Rossi versprochen war; Pückler allerdings überlegt seinerseits ernsthaft, ob solch eine Heirat nicht unter seinem Stande sei. Als Henriette mit 51 Jahren stirbt, stellt der dankbare Liebhaber im Park von Branitz eine Büste der Künstlerin auf, die man noch heute sehen kann.
Rückblickend betrachtet, war das ganze Heiratsunternehmen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Pückler war in England schon zu berühmt, vor allem sein schlechter Ruf eilte ihm voraus. Wer eine reiche Tochter hatte, ließ ihm keine Chance, um sie zu werben. König Georg IV. empfing ihn natürlich, und die beiden avancierten in jenen Tagen zu den meistkarikierten Persönlichkeiten. Dafür sorgte schon der Herzog von Cumberland, jüngerer Bruder des Königs, von 1837 an König Ernst August von Hannover.
Wo immer Pückler bei Hofe auftauchte, wurde er von seinem Feind als »fortune-hunter« begrüßt. Es gab kaum eine Frauenaffäre, die dieser Herzog ihm nicht öffentlich anhängte. Da der Umlaut in seinem Namen für Engländer schwer auszusprechen ist, nannte man ihn »Prince Pickle« (Fürst Sauergurke); und Charles Dickens zog in seinem Roman »Die Pickwickier« über Pückler her. Er gibt ihm den Namen »Graf Smorltork« und führt ihn vor als einen, der schlecht Englisch spricht, alles falsch versteht und trotzdem aus seinen Notizen dicke Bücher zusammenschreibt.
Mit Provokationen wußte Pückler, der selbst nur zu gern provozierte, umzugehen. Er wandte sich kurzerhand dem Landadel zu, wo er auch die besten Parkstudien machen konnte. Dort schätzte man seine landschaftsgärtnerischen Fähigkeiten, dort war er willkommen. Und spätestens jetzt zeigte sich das vielseitige Talent des Fürsten, wenn nicht gar sein Genie.
Noch heute vorhandene Kassenbücher geben Auskunft über den Transport (zu) großer Bäume, die umzutopfen er von englischen Gärtnern gelernt hatte. Er bezahlte Unsummen dafür, daß sie ihm ihre wohlgehüteten Geheimnisse verrieten: So wurden alte Bäume, die kaum jemand noch verpflanzte, zusammen mit Tierkadavern in die Erde gebracht. Hindernisse beim Transport von ausladenden Büschen und Bäumen wie ein zu schmales Stadttor, splitternde Fensterscheiben oder zerstörte Stuck- und Putzfassaden hielten ihn von seiner Pflanzwut nicht ab. Er scheute kaum einen Prozeß, um für die Ausweitung seiner Parklandschaften in Muskau und Branitz Ländereien an sich zu bringen, die pfiffige Besitzer nicht hergeben mochten. Auch das kostete und kostete. Er kopierte die englischen »Pleasure-Grounds« und erfand neue hinzu. Vom »Tempel der Beharrlichkeit« bis zur Nachbildung des Vesuvs, der sogar Feuer spie, gab und gibt es in seinen Parks allerlei Possierliches zu besichtigen.
Zur Gartenarbeit mit grüner Schürze war Pückler sich nie zu schade. Um aber auch einmal etwas Negatives zu sagen: Wie man Blumenbeete anordnet, hat er sein Leben lang nicht gelernt. Den englischen Garten jedenfalls - den es so nicht gab - hat Pückler nach Deutschland transplantiert.
Pückler war in aller Welt ein gesuchter Berater bei der Anlage künstlicher Paradiese. Friedrich Wilhelm IV. holte ihn zeitweise gleichzeitig mit Peter Joseph Lenne, zu jener Zeit Pücklers Rivale in Sachen Gartenkunst, nach Potsdam. Pückler half dem Prinzen Karl von Preußen bei dessen Park in Klein-Glienicke am Griebnitzsee und Prinz Wilhelm, später erster deutscher Kaiser, bei der Gestaltung des Babelsberger Schloßparks. Mit Kaiser Napoleon III. beugte er sich 1854 über die Pläne zur Neugestaltung des Bois de Boulogne.
Der Fürst selbst erhielt wiederum Entwürfe für Schloß und Garten Muskau vom großen Schinkel. Wie schon im berühmtesten deutschen Park a l''anglaise des 18. Jahrhunderts in Wörlitz wurden Weiden und Kornfelder in das grüne Gesamtkunstwerk mit einbezogen. »Der Park soll nur den Charakter der freien Natur und der Landschaft haben, die Hand des Menschen also wenig darin sichtbar sein«, beschrieb Pückler seinen Stil. Ganz sicher wurmte es ihn, daß er 1845, um seine immensen Schulden loszuwerden, die Standesherrschaft Muskau verkaufen und in die zehnmal kleinere Standesherrschaft Branitz, »die Sandbüchse«, 35 Kilometer von Muskau entfernt, umziehen mußte, die er allerdings unverzüglich, mittlerweile 60 Jahre alt, zu einem Juwel der Gartenkunst gestaltete; noch heute zu sehen.
Sicherlich war dieser hochfahrende Standesherr den weniger begabten, sicherlich nicht weniger hochfahrenden Zeitgenossen ein Dorn im Auge. Mit einigen hat er sich in komplizierte Ehrenhändel verwickelt, und seine vielen Reisen mußte Pückler nicht zuletzt auch deshalb häufig fluchtartig antreten. Seine monatelange Fußwanderung durch die Schweiz, Frankreich und Italien im Jahre 1806 zum Beispiel war der Affäre Colloredo zu verdanken: Er hatte den Grafen Colloredo, Sohn des österreichischen Chefministers, mit der Reitpeitsche traktiert.
Eine andere Duellsache ist noch lächerlicher, endet aber auch mit einer Reise, diesmal rund ums Mittelmeer:
In einer seiner glänzendsten Erzählungen aus »Tutti-frutti« mit dem Titel »Die Flucht ins Gebirge« berichtet Pückler in Form einer Reisebeschreibung eine Episode, die sich auf der Ruine »Königsburg« abgespielt haben soll. Eine Familie von Liehrs aus Schlesien, der tatsächlich eine alte Burg »Königsberg« gehört hatte, erschien auf dem Plan. Deren letzter Nachkömmling hatte Vermögen und Burg am Spieltisch durchgebracht. Oberst von Kurssel, mit der Tochter Liehrs verheiratet, bezichtigte den Erzähler in der Augsburger Allgemeinen »schändlicher Verleumdung«. Er wiederholte diese Anwürfe, wie man vermutet »aufgehetzt und schwach am Geiste«, in einer Breslauer Zeitung.
In Preußen waren Duelle streng verboten. Pückler, vergnügungssüchtig, einigte sich auf Paris als Austragungsort. Nach einer qualvollen Kieferoperation trat er an und traf auf einen freundlichen älteren Herrn. Der Oberst, im Duellieren völlig unerfahren, bot seinem Gegner die volle Brust dar. Pückler, als alter Routinier, wandte ihm die Seite zu. Beide schossen gleichzeitig, der getroffene Oberst konnte Blut vorzeigen. Seine Ehre war wieder intakt.
Das ganze Hin und Her verhindert jedenfalls Pücklers ursprünglichen Plan, eine Schiffsreise nach Amerika anzutreten. Die Fahrkarte hatte er wohl in der Tasche, aber das Schiff wartete nicht auf den Ausgang dieses Duells, und so hat Pückler Amerika nie gesehen. Auf wie viele Duelle er sich wirklich eingelassen hat, ist nicht mehr auszumachen. Man spricht von acht; mehr als zwei sind es bestimmt gewesen.
Er erfüllt sich trotzdem einen alten Wunschtraum und setzt im Januar 1835 von Toulon nach Algier über. Seine Reiseeindrücke von gewaltigen Landschaften aus Salzsümpfen, Korkeichenwäldern und Dattelpalmoasen beschreibt er in den drei Bänden »Vorletzter Weltgang des Semilasso« (Semilasso: »der Halbmüde«, ein Wortspiel Pücklers). Die Bücher erscheinen 1835 in Berlin, natürlich redigiert von seiner »Schnucke« und Varnhagen.
In Griechenland liebäugelt Pückler mit einem Landsitz und Landschaftsgarten bei Kyaparassia, scheitert jedoch. Ehefrau Lucie, Herrin von Muskau, weigerte sich, ihm zu folgen. Enttäuscht sucht er den »orientalischen Napoleon« Mehemed Ali auf, in Ägypten recht ruppig an der Macht, und genießt es, von ihm mit Kost und Logis (einem eigenen Palast in Kairo) verwöhnt zu werden. Von seiner »asiatischen Spazierfahrt« kehrt Pückler erst 1840, im Schlepp die hübsche Sklavin, nach Muskau zurück.
Vielleicht wäre Pückler tatsächlich auch als Diplomat, wie er es sich zeit seines Lebens wünschte, erfolgreich gewesen, zumindest in Konstantinopel. Er selbst redete sich das ein, und »Schnucke« las: Es gibt »dreierlei Auszeichnung: ein großer Redner, ein großer Industrieller oder Bankier oder ein Schriftsteller zu sein. Die Auszeichnungen, welche mir . . . deshalb zuteil werden, übersteigen allen Glauben. Es liegt eine sonderbare Schickung in allem diesen, denn benahm ich mich nicht so ungeschickt bei Deinem Vater, so wäre ich in die Staatsgeschäfte mehr oder weniger geraten und nie ein Skribler geworden. Dann aber wäre ich in der Foule mitgelaufen, während ich jetzt ein europäischer Charakter geworden bin . . .«
Daß der todgeweihte Freund Heine literarisch ihn überleben würde, wußte Pückler wohl. Er schrieb ihm in die Matratzengruft: »Wissen Sie, worin unsere Ähnlichkeit bei so großer Verschiedenheit des Genies besteht? Darin, daß wir Beide hundert Jahre alt werden können, und dennoch immer Kinder bleiben werden. Diese ewige Kindlichkeit ist eine Größe, und vielleicht die beste Garantie für eine Zukunft nach diesem Leben. Wir müssen wo anders fertig werden, denn hier auf diesem Planeten verstehen wir nicht unsere Sachen zu führen im Interesse des Tages und des Marktes. Wir möchten es wohl zuweilen, aber eine Seifenblase, eine Ironie, ein lächelnder Stolz kommt dazwischen, und nachdem wir mit Leichtigkeit drei Vierteile des Erstrebten gewonnen, werfen wir mit noch größerem Vergnügen das Ganze zum Fenster hinaus, wie die Kinder ihr Spielwerk, um ein neues zu ergreifen.« Sic! Y
*VITA-KASTEN-1 *ÜBERSCHRIFT:
Hermann Fürst Pückler *
(1785 bis 1871) wurde als künftiger Standesherr der Güter Muskau und Branitz geboren. Branitz ist noch heute einer der schönsten Schloßparks in englischem Stil; das zehnmal so große Muskau mußte er 1845 verkaufen, es liegt heute als Grenzstadt verrottet zwischen Deutschland und Polen. Die Familie Pückler-Muskau entstammt schlesischem Adel. Den Namen Pückler führte er auf den Rüdiger von Bechelarn des Nibelungenliedes zurück und wurde dieserhalb weidlich verspottet, beispielsweise von Franz Grillparzer. Unbestritten ist Pücklers Leistung als Gartenarchitekt und Briefpartner. Daß man bis heute mit dem Namen Pückler kaum anderes als die berühmte Eismixtur verbindet, liegt an seinem skurrilen Leben, dem die meisten seiner Zeitgenossen nichts abgewinnen konnten. Den Besten seiner Zeit hat er genug getan. Börne konnte ihn nicht mögen, er war ein echter Republikaner. Karl Immermann nahm ihn wegen seiner Münchhausiaden nicht für voll. Pückler starb als konvertierter, aber ungläubiger Katholik.
[Grafiktext]
_148_ Die Parks der Fürsten Pückler
[GrafiktextEnde]
* Heinz Ohff: »Der grüne Fürst. Das abenteuerliche Leben des HermannPückler-Muskau«. Piper Verlag, München; 328 Seiten; 18,90 Mark.