Gestorben Mevlüde Genç, 79

Marius Becker / dpa
Sie nannten sie »Versöhnerin«, »Mutter der Menschlichkeit«, »Friedensbotschafterin«. Mevlüde Genç hätte wahrscheinlich viel dafür gegeben, dass sie niemals in diese Rolle gekommen wäre. In den frühen Morgenstunden des 29. Mai 1993 hatten vier Rechtsextreme das Haus ihrer Familie in Solingen angezündet. Genç überlebte den Anschlag, doch verlor zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte. Das jüngste Opfer war gerade einmal vier Jahre alt. Mevlüde Genç sprach seither öffentlich über ihren Schmerz und ihre Trauer – und rief zur Versöhnung auf. Genç und ihr Mann blieben in Solingen. »Es ist meine Heimat«, sagte sie in einem Interview. Vor Gericht, in einem der umfangreichsten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik, sagte sie: »Obwohl ich fünf Kinder und mein Zuhause verloren habe, bezeuge ich trotzdem Zuneigung. Wir sind alle Brüder. Das lässt sich durch Verbrennen und Kaputtmachen nicht verhindern.« Genç wuchs in einem kleinen Dorf in der türkischen Provinz Amasya auf. 1973 folgte sie ihrem Mann Durmuç nach Deutschland. Sieben Jahre später kauften sie das Haus in Solingen. Wo es stand, klafft heute eine Baulücke. Fünf Kastanienbäume nehmen fast das gesamte Grundstück ein, einer für jedes der Opfer. 1996 erhielt Genç das Bundesverdienstkreuz am Bande. 2018 stiftete die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen die Mevlüde-Genç-Medaille. Mevlüde Genç starb am 30. Oktober in Solingen.