AUTOFAHREN Mit Karacho
»Alles Nötige«, bedeutet der Fahrlehrer dem Fahrschüler, während er zur bestandenen Führerscheinprüfung gratuliert, sei ihm nun »vermittelt« worden, den Rest müsse »Erfahrung« dazubringen. Der Prüfling bedankt sich -- und braust in seinem gerade erworbenen Porsche 911 davon.
Mit dieser Schlüsselszene belegt NDR-Sportredakteur Kurt Schottstadt einen Mißstand, der nachweislich zur steigenden Unfallquote auf bundesdeutschen Straßen beiträgt: Trotz wachsender Verkehrsdichte und zunehmendem Risiko lernen Fahrschüler -»wie vor 40 Jahren« außer Vorfahrtsregeln und zögerndem Umgang mit dem Schaltknüppel allenfalls noch Rückwärts-Einparkieren und Anfahren am Berg. Doch wie sie bei Tempo 150 einem plötzlich auftauchenden Hindernis ausweichen oder bei regennasser Autobahn möglichst rasch zum Stehen kommen können, lernen sie nicht.
»Jährlich 18 000 Tote im Straßenverkehr -- muß das sein?« lautet die Titelfrage zu Schottstädts kritischem Verkehrserziehungsfilm (ARD, Freitag, 2. April, 17 Uhr). Die Antwort des Autors, sekundiert von Offizialäußerungen des Verkehrsministers sowie des Zwei-Millionen-Klubs ADAC, heißt: Nein. Denn 80 Prozent der Autofahrer, so kommentiert Schottstadt, »beherrschen ihr Fahrzeug nicht; man kann es aber lernen«. Die Idee zu seinem Lehrfilm kam dem Sportredakteur Mitte letzten Jahres In einem ADAC-Trainingslager in Schweden, wo Interessierten Fahrern »sicheres Autofahren« beigebracht wurde: geistesgegenwärtiger Umgang mit Fuß- und Handbremse, Slalom- und Kurvenfahren in Notsituationen.
»Warum«, überlegte Schottstädt, »sollten nicht alle Führerscheininhaber auf solchen Trainingslehrgängen ihre Fahrpraxis verbessern können?« Lkw- und Pkw-Fahrer, die auf einem Übungskurs des dänischen Automobilklubs FDM zwischen Kunststoffhütchen und Schaumgummihindernissen mit auf gemaltem Kühlergrill Überlebenstricks erlernen, demonstrieren in der Sendung das nachahmenswerte Beispiel: Dänische Firmen, die ihre Fahrer routinemäßig zum Nachhilfeunterricht schicken, konnten die Unfall- und Schadensquote schon um 50 bis 60 Prozent senken.
Für seinen Film bat Schottstädt auch deutsche Verkehrsteilnehmer auf die Übungsstrecke. Mit Karacho rammten die Testfahrer -- zwischen zwei Monaten und 18 Jahren Im Besitz des Führerscheins -- die Gegner aus Schaumgummi. Schon nach einstündigem Training hatten sie gelernt, einem imaginären Rehbock auszuweichen: ein Beweis, daß Schottstädts Forderung nach Zusatztraining für möglichst viele Autofahrer In der Bundesrepublik richtig ist.
Der ADAC, der sich -- wie der Versicherungsverband HUK -- zur Mitfinanzierung solcher Vorhaben bereit erklärt hat, wünscht sich die »aufrüttelnde Sendung« (so ein ADAC-Mitteilungsblatt) ins Abendprogramm.
Doch auch am Nachmittag rechnet der NDR mit einer beträchtlichen Wirkung des Films. Verkehrsminister Leber jedenfalls, der Finanzierungsforderungen für die benötigten Übungsplätze auf sich zukommen sieht, sichert sich vorsorglich ab: »Das ist eine echte Gemeinschaftsaufgabe. Nur nicht gleich nach dem Staat rufen.«