FERNSEHEN Mit Scheren gepflastert
Jedes fromme Haus hat seinen Heiligen. Der des ZDF ist der CSU-Doktor Friedrich Zimmermann.
Als Stellvertretender Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats, als Vertreter seiner Partei bei der Anstalt am Mainzer Lerchenberg, S.257 als Mitglied des »Richtlinien- und Koordinierungsausschusses« vermag er viel: zu segnen oder zu verfluchen.
Kräftig, beispielsweise, hat er mitgewirkt, als es galt, den satirischen Unhold Dieter Hildebrandt aus dem ZDF-Programm zu hebeln. Und seine Stimme wird zählen, wenn, in zwei Jahren, der neue ZDF-Intendant gewählt wird; der möchte gerne Dieter Stolte heißen, jetzt ZDF-Programmdirektor.
Einem Mann wie Zimmermann gebührt mithin Respekt; jedwede Anspielung, etwa, auf irgendeinen Mein- oder Dein-Eid, auf den Trapper-Titel »Old Schwurhand« hat zu unterbleiben.
Sie unterblieb auch, als am vergangenen Sonntag, kurz vor Mitternacht, ein »satirisches Szenarium« über den ZDF-Kanal kam. »Einwürfe aus der Kulisse« hieß die Sendung mit bayrischen Spitzenkräften: dem Kabarettisten Gerhard Polt mit Partnerin Gisela Schneeberger und dem Liedermacher Konstantin Wecker.
Die Zimmermann-Anspielungen unterblieben, weil es das ZDF so wollte; geplant und geschrieben waren sie, sie wurden sogar schon einmal öffentlich dargebracht: Bei der jüngsten Verleihung des hochgeschätzten TV-»Adolf-Grimme-Preises«, vergangenen Monat in Marl, bildeten die »Einwürfe aus der Kulisse« das Rahmenprogramm.
Dieses Programm richtete das ZDF aus. Aber schon der Weg nach Marl war mit Scheren gepflastert. Angesichts Polts Manuskript (Co-Autor: Hanns Christian Müller) genierte sich der Sender wie ein Nönnlein, das den schwefligen Gottseibeiuns wittert -- es hob den Zensur-Weihwedel.
Polt hatte sich die Rolle eines Feuerwehrmannes geschrieben, der in einem Theater Wache hält und mit der Garderobiere ratscht. Dabei gerät dem Brandmeister, einem Schmuckstück aus Polts Spießer-Bestiarium, allerlei Brenzliges in die Spritze: Zimmermann eben und sein sagenhafter Eid, Hildebrandts »Denkpause« beim ZDF, Strauß natürlich, und die neue, auf einem Auge blinde TV-Justitia »Ausgewogenheit«.
Der Hinweis auf den Eid-Genossen, verfügte das ZDF, entbehre des »aktuellen Anlasses«; kein Wort solle darüber fallen, daß Hildebrandt wegen des Wahljahres 1980 »Denkpause« habe; bemängelt wurde, daß der Feuerwehrmann nur Männer der Unions-Parteien besprinkele -- das könne doch nicht die Absicht des Autoren sein.
Auch dem Liedermacher Wecker wollte der Sender in die Saiten greifen. Sein neues Lied »Vaterland« sei ein Zerrbild bundesrepublikanischer Wirklichkeit und daher untragbar; Wecker warnt sein Vaterland vor neonazistischen Marschtritten.
Den Ruf nach mehr Ausgewogenheit im Ansengen der Politprominenz überhörte Polt nicht. Er schrieb einen SPD-Mann in den Text und stellte die TV-Balance so dar: »Wenn im Fernsehen der Strauß auf die Linken schimpft, dann passen's genau auf, daß der Schmidt auch auf die Linken schimpfen darf.«
Beim Feilschen ums Marl-Programm, fünf Zimmermann-Textversionen wurden erstellt, stärkten die »Adolf-Grimme-Preis«-Verleiher (der »Deutsche Volkshochschulverband") den Rahmen-Künstlern kräftig den Rücken; den Fernseh-Anstalten hatten sie eh schon vorgeworfen, sie scheuten sich vor »heißen Eisen« und besäßen »zu wenig Mut zum Experiment«.
Für den als »Generalprobe« -- ohne Kameras -- bezeichneten Marl-Auftritt bekam die Polt-Truppe so schließlich eine Kompromiß-Fassung durch, samt gemilderter Zimmermann-Lästerung. Für die TV-Aufzeichnung jedoch, drei Wochen später in München, blieb Zimmermann ein Unberührbarer.
»Für mich«, sagt Polt, »gibt es keinen Vorschwur- und Nachschwur-Zimmermann.« Wenn er sich vorstelle, »daß dieser Mann im Bundestag auf die Verfassung schwört, dann könnte dabei auch einiges Gelächter aufkommen«.
Programmdirektor Stolte kann bei all dem die Hand nicht im Spiele haben, eigentlich. Denn als Festredner bei der Marler Preis-Vergabe stand er wie eine freiheitlich-öffentliche Trutzburg da:
»Wenn wir die verbrieften Freiheiten«, sagte er, »aus Ängstlichkeit nicht nutzen, wenn wir die notwendige Selbstkritik zu einer lähmenden Selbstverleugnung verformen ... dann allerdings kann uns in der Zukunft niemand mehr helfen.«