Künstler über rätselhaftes Phänomen »Wir würden den Monolithen auf jeden Fall nehmen«

Monolith in Utah
Foto: AP
Bernd Zimmer, 72, wurde in Planegg bei München geboren. Er ist ein international renommierter Maler, der als Mitbegründer der »Heftigen Malerei« bekannt wurde. Seit 1984 wohnt er in Polling, einem Dorf in Oberbayern, wo er das Projekt der »Stoa169« ins Leben gerufen hat – einer Künstlersäulenhalle am Ufer der Ammer, in der von bislang rund 100 bekannten Künstlern wie Rebecca Horn, Fiona Hall oder Erwin Wurm entworfene Vertikal-Skulpturen ausgestellt werden.
SPIEGEL: Herr Zimmer, wie war Ihr Eindruck, als Sie von den Metallsäulen in Utah und anderswo erfuhren?
Zimmer: Ich finde es seit dem Moment, als ich davon gehört habe, wahnsinnig aufregend. Ausgerechnet in der Wüste von Utah, wo in den Sechzigern auch Szenen für Stanley Kubricks Film »2001 – Odyssee im Weltraum« gedreht wurden, taucht so ein Monolith auf! Ich dachte spontan eher an eine Kunstaktion als einen Scherz. Ich finde es fantastisch, dass es keine Autospuren gab, weshalb sofort die Spekulation entstand, das Ding komme aus dem All. Gern würde ich glauben, dass Raumschiffe mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit auf unsere Erde fliegen und mal kurz so einen Monolithen abstellen und ihn dann ein paar Tage später wieder abholen. Flutsch, räumen sie das Ding in ihr Shuttle und düsen weg!
SPIEGEL: Warum möchten Sie glauben, es handle sich um einen Streich von Aliens?
Zimmer: Ich lese gern Science-Fiction-Bücher und sehe mir Science-Fiction-Filme wie »Blade Runner« an. Mir gefällt der Gedanke, dass wir nicht allein im Universum sind. Besonders gut fände ich in diesem Fall, dass die Außerirdischen eine simple, abstrakte Form verwendet haben.
SPIEGEL: Was imponiert Ihnen am Monolithen?
Zimmer: Seine Einfachheit und seine Schönheit. Er scheint aus glänzendem Edelstahl zu sein, relativ aufwendig poliert. Das Nachforschen wäre bestimmt möglich. Wenn man die Legierung des Metalls erst mal herausgefunden hat, könnte man ermitteln, aus welchem Stahlwerk das kommt. Vielleicht werden die in Utah und sonst wo aufgetauchten Monolithen deshalb oft so schnell wieder weggeräumt.
SPIEGEL: Hält der Monolith dem Vergleich mit den von großen Künstlern gefertigten Säulen stand, die Sie in Ihrer »Stoa169«-Halle die Polling präsentieren?

Zimmer-Projekt »Stoa169«
Foto: Felix Pitscheneder / STOA 169Zimmer: Diese Art von Stele, wie sie in Utah zu sehen war, verlangt ja nicht nach einem Dach. Es ist eine frei stehende, richtungsweisende Skulptur, eine Landmarke. Diese Landmarke entwickelt ihre Kraft besonders schön im Widerspruch und im Widerstand zu dem roten Gestein drumherum. Es ist eine saubere, berechnete geometrische Form, die die umgebende Landschaft erfahrbar und sichtbar macht. Man muss so eine Landmarke gar nicht unbedingt als Kunstwerk sehen, es handelt sich um eine eher technische Fabrikation. Allerdings: Wenn die Aliens in Polling vorbeikommen sollten und in unserer »Stoa«-Halle so einen Monolithen aufstellen würden, dann würden wir ihn auf jeden Fall annehmen. Schon wegen der Ideengeschichte, die hinter den meist fantasievollen Vorstellungen von außerirdischem Leben steht, wäre das Werk im Zusammenhang der »Stoa169«-Säulen hochinteressant und eine assoziative Bereicherung.
SPIEGEL: Welchen Künstlerinnen und Künstlern würden Sie ein Werk wie den Monolithen von Utah zutrauen?
Zimmer: Als Erstem natürlich einem Künstler wie Banksy. Man weiß nicht, wie dieses Zeichen da hinkommt, so ist das bei seinen geheimnisvollen Kunstaktionen ja auch. Es ist erstaunlich, wie unglaublich schnell sich diese Aktion, diese Zeichen sich über die sozialen Medien verbreitet haben. Ohne sie wäre das Phänomen nicht in dieser Geschwindigkeit in die Welt gelangt. Es wird überall diskutiert. Ich bin mir eigentlich sicher, dass es ein künstlerischer Eingriff war. Und höchstwahrscheinlich wird die Urheberin oder der Urheber ermittelt. Die meisten Nachbildungen sind leider schlampig gebaut. Denen sieht man an, dass sie aus Jux von Nachahmern gebaut und aufgestellt wurden. Windige Skulpturen aus Metallplatten mit einem Innenleben aus Holz. Für mich ist die einzig wirklich interessante Arbeit der Monolith von Utah.
SPIEGEL: Warum passt diese Arbeit Ihrer Meinung nach in unsere Zeit?
Zimmer: Natürlich haben die Corona-Beschränkungen geholfen, dass dieses Phänomen in dieser irren Geschwindigkeit um die Welt gerast ist. Die Menschen hängen in den sozialen Medien herum und sind nicht nur anfällig für solche Ereignisse in dieser schwierigen Zeit, sondern auch dankbar. Das ist ja auch eine angenehme Ablenkung. Wir dürfen zur Abwechslung mal über Außerirdische nachdenken! Der Metallmonolith lehrt uns, dass es nicht nur schreckliche Dinge wie Viren gibt, die plötzlich in unserem Leben auftauchen wie aus dem Nichts. Nein, es gibt auch erfreuliche Überraschungen wie diese glänzende, schöne Stele in der Wüste.