Abgehört Die wichtigsten CDs der Woche
Elliott Smith - "From A Basement On The Hill"
(Domino/Rough Trade)
Von der allerersten Minute an, spätestens aber bei "A Fond Farewell", dem sechsten Song, schnürt es einem die Kehle zu: "The dying man in a living room/ Whose shadow paces the floor/ Who'll take you out in the open door/ This is not my life/ It's just a fond farewell to a friend/ It's not what I'm like/ It's just a fond farewell to a friend." Die 15 Stücke auf "From A Basement On The Hill" sind das unwiderruflich Letzte, was wir jemals von Elliott Smith hören werden. Die anrührenden Momente auf dieser Platte sind zahllos - etwa wenn in "Pretty (Ugly Before)" das Piano einsetzt, wenn "A Passing Feeling" beginnt oder einen "Don't Go Down" mit voller Wucht nach unten zieht. Der vor einem Jahr verstorbene Songwriter war ein Virtuose der Behutsamkeit und zeitlebens zu feinfühlig für den widrigen Teil des Geschäfts. Ein kleines und unglaubliches Lied namens "Memory Lane" fügt Smith wie beiläufig all seinen anderen Großtaten hinzu, denn es ist noch Platz zwischen "Alameda", "Somebody That I Used To Know" und "Christian Brothers". Für viele war Elliott Smith das, was der Schriftsteller Thomas Bernhard einmal als "Lebensmensch" beschrieb. Und dieser Lebensmensch singt nun die Zeilen: "I don't know where I'll go now/ And I don't really care who follows me there/ But I'll burn every bridge that I cross/ To find some beautiful place to get lost" ("Let's Get Lost"). Das Lächeln eines toten Freundes. Einen Regenbogen für Elliott Smith! (9) Jan Wigger
Elliott Smith - offizielle Website
Ben Folds - "Sunny 16", "Speed Graphics", "Super D"
(Epic/Sony Music)
Wer seine Schallplatten noch gerne im Laden kauft und also Fan von Ben Folds sein könnte, muss jetzt umdenken, denn die drei 5-Track-Eps "Sunny 16", "Speed Graphics" und "Super D" sind ausschließlich über den Internetversand Amazon erhältlich. Wer zumindest Folds' Meisterwerke "The Unauthorized Biography Of Reinhold Messner" und "Rockin' The Suburbs" kennt, hat sich vielleicht schon ausgerechnet, dass es damals besonders die frühen Billy Joel und Elton John, Randy Newman und Joe Jackson gewesen sein müssen, die Folds zu jenem Melodienreichtum und Wahnwitz trieben, den er heute auf seinen eigenen Alben beherrscht wie kein Zweiter. Auch schon bekannt war Folds' Faible für Cover-Versionen - schließlich bleibt sein Verdienst, als einer von drei Menschen der Erde Built To Spill gecovert zu haben, bis zum heutigen Tag unvergessen. Auf "Speed Graphics" erfasst Folds wie selbstverständlich die Melancholie von "In Between Days" (The Cure), "Sunny 16" endet mit einer angemessen würdevollen Interpretation von Neil Hannons "Songs Of Love". Dazu kommt - ein bisschen Spaß muss sein - auf "Super D" ein Cover von The Darkness. Die eigenen Songs sind gewohnt hochklassig, wobei besonders "There's Always Someone Cooler Than You" und "Wandering" hervorzuheben sind. Nur zur Erinnerung: Ende November kommt das Phantom samt Piano für zwei Konzerte nach Deutschland. ("Sunny 16": 9, "Speed Graphics": 8, "Super D": 7) Jan Wigger
Ben Folds - offizielle Website
James Last - "They Call Me Hansi"
(Polydor/Universal Music)
Tja, weiß man ja alles: James heißt gar nicht James, sondern Hans. War die böse Plattenfirma damals, die einfach James aufs Cover schrieb, damit's internationaler klingt. Jetzt kommt Hansis Rache. Der eben gerade 75 gewordene Big-Band- und Easy-Listening-King ließ sich von Star-Knipser Anton Corbijn in grobkörniger Westernpose ablichten, als wäre er der deutsche Johnny Cash. Kein weißer Anzug mehr, kein "Happy Sound"-Orchester, stattdessen neun Kollaborationen mit Musikern, die immer schon eine heimliche Schwäche für James Last hegten - oder es zumindest behaupten. Es sind nicht unbedingt die üblichen Verdächtigen, dennoch kann man sich beim Lesen des Namens Xavier Naidoo kaum des Gähnens erwehren. Herbert Grönemeyer ist auch dabei, mit einem eigenen Song, Tom Jones triphopt über "Little Green Apples", Jan Delay kräht gegen Lasts Uralt-Kracher "Fantasy" an und Wu-Tang-Boss RZA rappt über "The Lonely Shepherd" - eine Art Abfallprodukt des "Kill Bill"-Soundtracks. Achja, außerdem: Nina Hagen, Till Brönner, Luciano Pavarotti und Gesangs-Wunderkind Haley Westenra. Dennoch: Trotz aller Prominenz will kein rechter Spaß aufkommen bei dieser Neuerfindung des Party-Urviechs. Dass James Last längst ein Klassiker ist, dass er eine ganze Generation von Elektroclashern und Lounge-DJs beeinflusst hat, das hätte man besser mit einer Best-Of-Sammlung der Originale gewürdigt, statt mit diesem etwas biederen Bastard-Pop-Sampler. Aber bitteschön: Nennen wir ihn eben ab jetzt Hansi... (5) Andreas Borcholte
James Last - offizielle Website
Pinback - "Summer In Abaddon"
(Touch And Go)
Wenn man früh am Morgen aufwacht und am liebsten gleich sterben möchte, kann es sehr hilfreich sein, Pinback aufzulegen - und nicht etwa Umbra et Imago. Während andere versuchen, dem Tod zu trotzen, indem sie "Fitzcarraldo" so oft gucken, bis sie ihn Wort für Wort mitsprechen können, haben Pinback sich das Ende zum Freund gemacht und lachen noch im Untergang. Das Problem an "Summer In Abaddon", einer schönen und leider auch etwas gleichförmigen Platte, ist, dass es Pinback nie wieder gelungen ist, ihrem fantastischen Debüt "This Is A Pinback CD" etwas Gleichwertiges entgegen zu setzen. Auch "Summer In Abaddon" kann nicht mithalten, ist aber so einigen Gitarren-Pop-Alben anderer amerikanischer Bands überlegen, weshalb der Durchbruch nun endlich verdient wäre. Haben wir in dieser Besprechung eigentlich schon Three Mile Pilot erwähnt? Nein? Wie gut, dass es auch ohne geht. (6) Jan Wigger
Family*5 - "Wege zum Ruhm"
(Paul!/Rough Trade)
Nach der Wiederveröffentlichung des Klassikers "Resistance" und einer durchaus zwiespältigen Family*5-Tribute-Platte ist nun "Wege zum Ruhm" das erste Studioalbum seit Ewigkeiten. Zur Feststellung, dass hier nicht alles glückt und Peter Heins berüchtigte "Alles Scheiße"-Attitüde zuweilen ganz gehörig auf die Nerven fällt (und fallen soll!), kommt Erstaunen über die Hellsichtigkeit der etwas verbitterten Legende: "Udo L. geht's ans Geld/ Heinz R. K. war auch schon da/ Marius und Nena schmieden große Pläne/ Muss man das noch erwähnen?/ Läuft doch wie geschmiert für Quotenmucker" ("Quotenmucker"). Zwar sucht sich Hein hier nur die leichtesten Zielscheiben heraus, doch in Anbetracht des beschämend selbstgefälligen Insistierens von Lindenberg, Mey, Maffay und Catterfeld auf der Radio-Quote, die dem armen deutschen Nachwuchs eine Chance geben soll, musste das auch einmal gesagt werden. (6) Jan Wigger
Bewertung: Von "0" (absolutes Desaster) bis "10" (absoluter Klassiker)