Abgehört Die wichtigsten CDs der Woche
The Format "Dog Problems"
(Vanity/Nettwerk/Soulfood, 3. August)
Manchmal kann man die guten Menschen eben doch daran erkennen, welche Platten sie am liebsten mögen: Auf dem zweiten Album von The Format gibt es doch tatsächlich ein Lied, in dem die eindringliche "You're gonna walk backwards through the room"-Stelle aus Prefab Sprouts "Green Isaac" nicht nur zitiert, sondern exakt so gesungen wird wie auf Paddy McAloons Sturm-und-Drang-Arbeit "Swoon". Ist die Erinnerungsmaschine erst einmal angeworfen, hört man auch Squeeze, The Three O Clock, Big Star und natürlich Jellyfish aus den The Format-Stücken heraus, denn Roger Joseph Manning Jr. (Jellyfish, Imperial Drag, The Moog Cookbook) hat hier mitgewirkt, spielt auf "Time Bomb" die Wurlitzer, auf "Snails" das Cembalo und hat auch einige Arrangements für das kleine Format-Orchester geschrieben, wie in alten Zeiten.
Mannings letzte Solo-LP "The Land Of Pure Imagination" aus dem letzten Jahr findet in "Dog Problems" seine kongeniale Entsprechung, denn die Kirmesorgeln, die Bläser, die Vaudeville-Anklänge, das Schwärmerische und die unerhörte Pop-Informiertheit der beiden Format-Gründer Nate Ruess und Sam Means sind ebenso herrlich und unzeitgemäß wie die Spinnereien von Auftragsarbeiter Manning. Der doofe Begriff passt sonst fast nirgends, hier aber schon: Power-Pop, jawohl. (8) Jan Wigger
Korn "Untitled"
(Virgin/EMI, 3. August)
Die böse Band Korn hat einmal zwei tolle Platten gemacht, die erste und die zweite. Seitdem heißen Korn-Alben zwar immer anders, aber es ist immer dasselbe drauf. Bemitleidenswerte Hardcore-Anhänger faseln bei jedem neuen Album begeistert von "Weiterentwicklung" und "Neuerfindung", als hätte der dauerhaft malade Korn-Sänger Jonathan Davis plötzlich Randy Newman vertont oder Bartók übertroffen. Auch für die Besprechung von "Untitled" wird sich in vielen Redaktionen wieder ein Praktikant oder Gefälligkeitsschreiber finden, der als alter Korn-Fan gilt und gegen Erhalt der CD gern beglaubigt, wie toll das doch alles immer noch ist. In Wahrheit kann man über das billige, feiste Elektro-Geblubber, die Kleister-Keyboards, die Alibi-Streicher, die von sich selbst geklauten Riffs und die Piano-Ballade (sic!) "Kiss" allenfalls noch lachen oder der Band die Auflösung nahelegen, wofür sie allerdings zu eitel ist. Das zerschossene Geflügel auf dem Cover zeigt es an: Korn beginnen langsam zu verfaulen. (3) Jan Wigger
Clawfinger "Life Will Kill You"
(Nuclear Blast/Warner, 3. August)
Zappelbuden-Maniacs aufgepasst, das Warten hat ein Ende: Endlich stehen die Crossover-Pioniere Clawfinger um Mastermind Zak Tell mit einem neuen Silberling in den Startlöchern! Das Schulenglisch des Frontshouters ist inzwischen noch besser geworden und die amtlichen Gitarren-Riffs von Bard Torstensen vermitteln unüberhörbar den Eindruck, dass die Schwedenhappen, zu dem auch norwegische Mitglieder zählen, es mit "Life Will Kill You" nochmal wissen wollen! Stimmt ja auch, das Leben ist kein Ponyhof, nur die Harten kommen in den Garten und mit "Little Baby" nimmt der gereifte Fünfer wieder einmal kein Blatt vor den Mund und packt ein ganz heißes Eisen an: Kindesmissbrauch! Ansonsten ist es wie gewohnt Schlagwerker Henrik "Henka" Johansson, der einen einfach unglaublichen Job an den Fellen erledigt! Zusammenfassend kann man sagen, dass Clawfinger das Crossover-Rad mit der Langrille "Life Will Kill You" zwar nicht neu erfunden haben, aber auf extrem hohem Niveau stagnieren das Ding ist ein echtes Brett und haut voll auf die Zwölf! Und Leute, freut euch schon mal drauf: Auch Dog Eat Dog, Downset und Stuck Mojo kommen bestimmt bald wieder! (1) Jan Wigger
Under the Influence of Giants - "Under the Influence of Giants"
(Island/Universal, 3. August)
Einen scheußlicheren Bandnamen hatten wir ja lange nicht. Andererseits aber auch kaum einen, der ehrlicher war. Zwar heißt es im allzu ausführlichen Plattenfirmen-Info, dass man der Erwartungshaltung bloß nicht trauen soll, weil Under the Influence of Giants ja alles andere als schnöde Kopisten seien. Allerdings wird dann ellenlang aufgezählt, bei wem sich die Band aus Kalifornien welche Elemente abgekupfert hat. Da wird dann sogar mit Prince und Madonna hantiert, beides verbietet sich von selbst. Zwei Beispiele sind unüberhörbar: In "In The Clouds" bedient sich die Band recht schamlos bei Peter Gabriels "Shock The Monkey", was besonders perfide ist, weil's kaum noch einer kennt. Schon durchsichtiger wird es bei "Mama's Room", dem Stück mit dem Willen zur Single, wo so heftig in Richtung Scissor Sisters geschielt wird, dass einem die Augen tränen. Under the Influence of Giants ist also eine mit der Generalvollmacht der Postmoderne liebäugelnde Mogelpackung, die dann auch noch damit hausieren geht, dass sie ja schon lange vor dem Major-Plattenvertrag eine Riesenfangemeinde hatte - dank MySpace. Kann man auch nicht mehr hören. Dabei funktioniert vieles auf diesem mit unterschiedlichen Stilen prall gefüllten Debüt-Album wirklich gut, manches macht sogar großen Spaß. Aber am Ende bleibt's eben doch nur eine etwas smartere Ausgabe von Maroon Five. Und das ist wenig. (4) Andreas Borcholte
Phillip Boa & The Voodooclub "Faking To Blend In"
(Motor Music, 3. August)
Viele Medienschaffende finden Phillip Boa als Mensch unsympathisch. Der Autor dieser Zeilen mag ihn sehr, weil sein Mürrischsein, seine chronische Verstimmtheit und sein Auftreten als König von Scheißegalien wahrhaftiger und richtiger ist als der oft unreflektierte, ferngesteuerte Optimismus, den die üblichen deutschen Spaßbeauftragten bei jeder Gelegenheit unters Volk bringen wollen. "Faking To Blend In" ist eine sehr ordentliche Boa-Platte: Auf keinen Fall so bemüht wie "The Red", jedoch auch nicht so brillant wie "Aristocracie" oder "Hair". Boa, der längst alles gemacht, alles gesehen und alles ausprobiert hat, kann unter normalen Umständen niemandem vertrauen und hat doch Klez.e-Sänger Tobias Siebert mit der Produktion von "Faking To Blend In" beauftragt. Eine gute Entscheidung, denn "Queen Day" oder "Sleep A Lifetime" haben wieder den stumpfen Glanz der alten Tage. Auf "On Tuesdays I'm Not As Young" klingt Boa schon wie eine Mischung aus den Strokes und den Editors. Und von den Jungen lernen muss er schließlich, wenn er doch noch mal der deutsche Bowie werden will. (6) Jan Wigger
Wertung: Von "0" (absolutes Desaster) bis "10" (absoluter Klassiker)